Weiteres EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn gefordert
4. Apr. 2020Voller Verachtung weist ein regierungsnaher Kommentator diejenigen Kritiker Ungarns im Europaparlament zurecht, die wegen der Coronavirus-Notstandsgesetzgebung ein weiteres EU-Vertragsverletzungsverfahren verlangen. Zwei liberale Kolumnisten hingegen vermuten, dass sich die Regierung den Gefahren einer politischen und wirtschaftlichen Ächtung aussetzt.
Mehrere Vorsitzende von Europaparlamentsfraktionen haben die Europäische Kommission zu Untersuchungen aufgefordert, ob die ungarischen Notstandsverordnungen (siehe BudaPost vom 1. April) mit den EU-Normen übereinstimmen würden. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte die Kommission ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn gemäß Artikel 7 des Vertrags von Lissabon einleiten. Auch die Europäische Volkspartei (EVP) hat mittlerweile das ungarische Notstandsgesetz kritisiert, aber die Petition, in der ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn gefordert wird, nicht formell unterzeichnet. Gleichzeitig haben 13 EVP-Mitglieder den Ausschluss des Fidesz aus der Parteienfamilie verlangt.
Merkwürdig, dass einige EU-Politiker über die demokratischen Werte in Ungarn besorgt seien, während gleichzeitig das Coronavirus ihre Heimatländer verwüste, schreibt Tamás Pilhál auf Pesti Srácok. Vehement weist der regierungsfreundliche Kommentator den Vorwurf zurück, das Notstandsgesetz der ungarischen Regierung verletze Grundfreiheiten oder demokratische Rechte. Er verweist auf den ersten Absatz des Gesetzes, demzufolge das Parlament den Ausnahmezustand jederzeit aufheben könne. Daher sei die Behauptung absurd, Ungarn habe sich zu einer Diktatur entwickelt, meint Pilhál und vergleicht die EU-Führung mit einem Irrenhaus. So regt er an, dass Ungarn nach dem Ende des Coronavirus-Notstands „aus seinem EU-Alptraum aufwachen“ sollte.
Auf dem Onlineportal von Heti Világgazdaság äußern Viktória Serdült und Gábor Kovács die Vermutung, dass das ungarische Notstandsgesetz massive Auswirkungen zeitigen werde. Nach Auffassung der liberalen Kommentatoren läuft die ungarische Regierung Gefahr, zu einem aus Europa Verstoßenen zu werden. Eine solche Ausgrenzung werde schwere politische und wirtschaftliche Verwerfungen nach sich ziehen, insbesondere dann, wenn sich Deutschland den Kritikern Ungarns anschließen sollte. Falls die ungarische Regierung zu einem in moralischer Hinsicht Ausgestoßenen werden würde, dürfte sie bei den Gesprächen über den nächsten EU-Haushalt über einen geringeren Einfluss verfügen. Zudem könnte sie Investoren verschrecken, warnen die beiden Autoren.
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