Nationale Konsultation – die neunte
20. Jun. 2020Ein liberaler Soziologe prangert den Fragebogen der Regierung zur nationalen Konsultation als Propagandainstrument an, während ein regierungsfreundlicher Analyst in ihm eine Übung in Sachen Demokratie sehen kann.
Die Regierung hat einen Fragebogen an alle erwachsenen Ungarn verschickt. Darin erkundigt sie sich nach der Meinung der Bürger zu ihrer Vorgehensweise im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie sowie den Plänen zur Wiederankurbelung der Wirtschaft. Es ist bereits die neunte derartige Kampagne innerhalb der zurückliegenden neun Jahre.
Der Meinungsforscher und Soziologe Endre Sík kritisiert die erneute Konsultationskampagne: Wäre die Regierung tatsächlich an der Meinung der Bevölkerung zu bestimmten Themen interessiert, dann wäre eine repräsentative Umfrage genau das Richtige und würde mehrere hundert Mal weniger kosten, empört sich Sík in einem Interview mit Klubrádió. Folglich geht er davon aus, dass die Regierung mit möglichst vielen Menschen in direkten Kontakt treten und sie für ihre Politik gewinnen möchte. Die Fragen, die an die Bevölkerung gestellt würden, enthielten faktisch Gründe dafür, warum die Regierung den richtigen Kurs eingeschlagen habe. Gleichzeitig ist der Experte der Ansicht, dass die Kampagne der Nationalen Konsultation professionell sei – und zwar als ein Propagandainstrument.
János Simon lobt in Magyar Nemzet die Gepflogenheit der Regierung, die Wähler regelmäßig zu wichtigen politischen Fragen zu konsultieren. Der technologische Fortschritt und die 85-prozentige Internetabdeckung würden es sogar ermöglichen, die Bevölkerung noch regelmäßiger in politische Debatten mit einzubeziehen, gibt der Politikwissenschaftler zu bedenken. Zwischenzeitlich jedoch gäben die fortlaufenden nationalen Konsultationen den Ungarn eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich auf eine stärkere Mitwirkung an Themen von öffentlichem Interesse einzustellen. Gleichzeitig würden positive Rückmeldungen der Regierung auch als eine Art Kraftquelle dienen – sowohl in der Innenpolitik als auch international, notiert Simon.
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