Vom Scheitern der US-Meinungsforscher
6. Nov. 2020Da das endgültige Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl am Donnerstagmorgen noch immer nicht vorlag, beschäftigt sich ein Analyst der politischen Mitte mit dem offenkundigen Unvermögen der Demoskopen, ein knappes Rennen vorherzusagen. Dies sei ein Ausdruck für die tiefgreifenden Probleme innerhalb der amerikanischen Demokratie.
Auf Azonnali äußert der Außenpolitikexperte Máté Szalai die Ansicht, dass man die Gründe für das nach 2016 bereits zweite erbärmliche Scheitern der Meinungsforscher beim Messen der Stärke der Trump-Wählerschaft im System suchen müsse. Die mittlerweile weit verbreitete Meinung dürfte stimmen, dass aufgrund des vom Mainstream auf Trump-Anhänger ausgeübten Drucks selbige den Meinungsforschern gegenüber massenhaft ihre wahren Gefühle nicht offenbart hätten.
Szalai bestreitet das Argument, wonach es so etwas wie einen „liberalen Meinungsterror“ nicht gebe. Er selbst habe als Forscher in der internationalen akademischen Gemeinschaft immer wieder Druck verspürt, Trump zu verurteilen. Zudem habe der auf abfällige Bemerkungen über Trump gründende Wahlkampf Anhänger zur Vorsicht bei der Beantwortung von Fragen der Demoskopen veranlasst. All das mache tiefreichende Risse innerhalb der amerikanischen Gesellschaft offenbar. Deswegen sei es zunehmend schwierig, überhaupt erst einmal zu wissen, was die Menschen denken würden.
Auf der anderen Seite könnte sich die Demokratische Partei durch den Sieg Bidens von einer notwendigen Selbstprüfung und der Einsicht freigesprochen fühlen, dass gegen Trump zu sein keine ausreichende Grundlage für eine erfolgreiche Politik sei.
Szalai beschließt seine Gedanken mit einem Bekenntnis: Er würde den Sieg einer Demokratischen Partei begrüßen, aber einer kompetenteren und einer mit Ideen, die substanzieller ausfielen als lediglich Identitätspolitik. Eine solche Demokratische Partei hätte auch auf Ungarns nicht allzu kreative Linke einen positiven Einfluss, schlussfolgert Szalai.
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