EVP bestraft Tamás Deutsch
18. Dec. 2020Der Beschluss der Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, dem Chef der Fidesz-Delegation das Recht zu entziehen, im Namen ihrer Fraktion zu handeln, wird von Kommentatoren erwartungsgemäß extrem unterschiedlich bewertet.
Tamás Deutsch hat künftig nicht mehr das Recht, sich im Namen der EVP-Fraktion zu äußern oder in ein Amt innerhalb des Europäischen Parlaments gewählt zu werden. Das hat die Fraktion der Europäischen Volkspartei am Mittwochabend beschlossen. Ursprünglich hatten sich 40 Abgeordnete für einen Ausschluss des Fidesz-Politikers eingesetzt, da seine an die Adresse des Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber gerichtete Tirade als beleidigend empfunden worden war. Weber hatte unlängst erklärt, wenn Ungarn nicht gegen EU-Normen verstoße, müsse es die Rechtsstaatskonditionalität von EU-Zahlungen auch nicht fürchten. Deutsch erwiderte: Dies sei die Art von Argumenten, die die kommunistische politische Polizei sowie die Gestapo verwendet hätten. In der Folge würden Leute im Gefängnis landen, auch wenn sie unschuldig seien. Seit dieser Stellungnahme hat sich Deutsch zweimal bei Weber entschuldigt. Letztendlich gelangte der Ausschlussantrag gar nicht zu Abstimmung.
Was würde die Volkspartei dem Fidesz wohl nicht durchgehen lassen?, fragt Gergő Illés auf Azonnali und konstatiert: Die EVP habe sich mit ihren vergeblichen Versuchen, den Fidesz in seine Schranken zu weisen, öffentlich zur Lachnummer gemacht. Als die ungarische Regierung Plakate mit Kommissionspräsident Juncker und George Soros – dargestellt als Verschwörer gegen Ungarn – in Umlauf gebracht habe, sei die Mitgliedschaft des Fidesz in der Volkspartei ausgesetzt worden. Ohne greifbares Ergebnis, wie Illés bemerkt, denn nunmehr würden Fidesz-Koryphäen der EVP vorwerfen, „sich in die Arme der Gender-Ideologie zu schmeißen und Marxisten zu huldigen“. Illés vermutet, dass sich die EVP einfach nicht entschließen könne, den Fidesz abzuschütteln.
Die Teilnehmer einer auf dem Webportal Pesti Srácok übertragenen TV-Talkshow hingegen bezeichneten die Sanktionen gegen Deutsch als „Reaktion auf den grandiosen Sieg“, den Ministerpräsident Viktor Orbán im Streit um die Rechtsstaatskonditionalität von EU-Transfers errungen habe. Die Teilnehmer an der Gesprächsrunde bezeichnen die Resolution als Demütigung für den führenden ungarischen Abgeordneten, während die Maßnahmen der EVP-Fraktion als grob und empörend charakterisiert wurden. Es sei die so genannte Volkspartei, die darüber entscheiden sollte, wo sie eigentlich stehe, wessen Karre sie schiebe und wer ihre Mitglieder seien – echte Konservative oder wüste Liberale, so die Talker von Pesti Srácok.
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