Kulturkampf um einen 150 Jahre alten Roman
27. Feb. 2021Eine Schriftstellerin und Dichterin hat mit Äußerungen über den Roman eines Klassikers der ungarischen Literatur eine heftige Kontroverse ausgelöst. Ihre Forderung: Das Werk sollte von der Liste der schulischen Pflichtlektüre gestrichen werden, weil es Frauen eine untergeordnete Rolle zuweise.
Im Gespräch mit einem literarischen Onlineportal hat die Schriftstellerin und Dichterin Krisztina Tóth erklärt, dass sie Mór Jókais Roman „Ein Goldmensch“ (Az arany ember) aus dem Jahr 1872 von der Liste der Handvoll Bücher streichen würde, die 14- bis 15-Jährige lesen müssen. Sie erklärte, dass Jókais Heldinnen gehorsam seien und sich ihren Männern unterordnen würden. Im Internet sieht sich Tóth, deren Werke sich nicht nur in Ungarn großer Beliebtheit erfreuen, sondern auch in Dutzende von Sprachen übersetzt wurden, nunmehr mit vehementen Angriffen, aber auch Apologien konfrontiert. Das wäre dann wohl eine weitere Front im hierzulande aktuell tobenden Kulturkampf.
In Magyar Nemzet verteidigt Tamás Pataki Az arany ember gegen „einen Angriff von Seiten der Gender-Ideologie“. Er vergleicht Tóths Meinung mit dem Verhalten westlicher Kulturkrieger und weist ihre Bedenken zurück, denen zufolge die Literatur eine wichtige Rolle bei der Ausprägung von Einstellungen junger Menschen zu anderen Menschen spiele. In Sachen Beziehungen zum anderen Geschlecht würden die Jugendlichen durch Myriaden von Faktoren beeinflusst, leider am wenigsten von der klassischen Literatur, beklagt Pataki. Traurig, dass Tóth (als eine von mehreren Kolleginnen und Kollegen) plane, Schulen zu besuchen und mit Kindern über Literatur zu sprechen.
Tamás Ónody Gomperz hält Tóths Kritiker für Machos und Reaktionäre. In einem Beitrag für Jelen behauptet der Autor, dass sexistische Einstellungen gegenüber Frauen in Ungarn immer noch weit verbreitet seien. Dabei spielt er auf den Fall eines ehemaligen Fidesz-Abgeordneten und Bürgermeisters einer kleinen Ortschaft an, der 2016 wegen Schlägen gegen seine Frau verurteilt worden war.
Toll, dass die Boulevardzeitungen, statt sich mit pornografischen Meldungen hervorzutun, nunmehr versuchen würden, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mit Hilfe literarischer Themen zu erregen, schreibt sarkastisch die Schriftstellerin Borbála Szabó auf dem Onlineportal 444. In Wirklichkeit, so fährt sie fort, gehe es bei dem heftigen Wirbel gar nicht um Literatur. Was derartig viel Leidenschaft erregt habe, sei – wie stets – die Politik, notiert Szabó.
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