Zwei Wochen vor der Wahl: Fidesz weiter vorne
21. Mar. 2022Zwei neuen Meinungsumfragen zufolge hat der Ukraine-Krieg die Parteipräferenzen hierzulande nicht wesentlich verändert, obwohl die Wählerinnen und Wähler eine vollkommen entgegengesetzte Meinung zu den Reaktionen der Regierung auf den Krieg zum Ausdruck bringen.
Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IDEA konnte der Fidesz seinen Vorsprung bei den entschlossenen Wählern auf sieben Prozentpunkte ausbauen. In einer getrennten Erhebung analysierte das Institut Publicus Einstellungen zum Ukraine-Krieg: Demnach hielten 91 Prozent der der Opposition zuneigenden sowie 44 Prozent der Fidesz-Wähler den Krieg für eine von Russland ausgehende Aggression. 24 Prozent der Regierungsbefürworter und sechs Prozent der Oppositionswähler hingegen interpretierten das russische Vorgehen als Selbstverteidigung. 81 Prozent der Fidesz-Sympathisanten waren mit der Haltung der Regierung zum Ukraine-Krieg zufrieden, während 90 Prozent der Oppositionswähler eine deutlichere Kritik an der Aggression Russlands erwarten würden. Immerhin ergab die Umfrage auch, dass der Krieg keinen klar erkennbaren Einfluss auf die Präferenzen der Wähler ausübt.
Dávid Megyeri von Magyar Nemzet bezeichnet die Opposition als „Regenbogenkoalition, die ausländische Interessen vertritt“ und versteigt sich zu dem Vorwurf, sie wolle Ungarn zwecks Wahlsieg in einen Krieg treiben. Es sei beruhigend, dass die Wähler hinter der „strategischen Gelassenheit“ der Regierung stünden und sie das Land aus dem Konflikt heraushalten sowie gleichzeitig den Flüchtlingen aus der Ukraine helfen wollten, notiert der regierungsfreundliche Kommentator.
In einem Interview mit 168 Óra deutet Ervin Csizmadia, Direktor des liberalen Zentrums für faire politische Analysen (Méltányosság Politikaelemző Központ), den zunehmenden Vorsprung des Fidesz in den jüngsten Umfragen als Ausdruck des Bedürfnisses der ungarischen Wählerschaft nach einer starken Führung. In den Augen Csizmadias machen sich die Wählerinnen und Wähler weniger Gedanken über die konkreten Maßnahmen ihrer regierenden Politiker – solange sie Stärke und Entschlossenheit an den Tag legten. Dies erkläre auch, warum die einst engen Beziehungen von Ministerpräsident Viktor Orbán zu Russland und Präsident Wladimir Putin seiner Popularität keinen Abbruch getan hätten.
Erik Tóth vertritt im Wochenmagazin Magyar Demokrata die Auffassung, dass die Oppositionsparteien ihre Chancen auf einen Sieg über den Fidesz bei den Wahlen Anfang April durch den Zusammenschluss in einem Bündnis nicht verbessert hätten. Der Analyst des regierungsnahen Thinktanks Zentrum für Grundrechte hält die von der Opposition vorgebrachten politischen Ideen für fragwürdig und unpopulär. Er kritisiert Vorschläge aus den Reihen der Opposition, denen zufolge Ungarn der Ukraine mit Waffenlieferungen zur Seite stehen sollte. Tóth hält solche Überlegungen für unverantwortlich und stimmt mit der Regierung darin überein, dass sich Ungarn aus dem Konflikt heraushalten sollte. Die Strategie der Opposition, kritisiert Tóth, könnte Ungarn dagegen in den Krieg hineinziehen.
In einem Leitartikel auf seiner ersten Seite wirft Magyar Narancs Ministerpräsident Orbán vor, im Ukraine-Krieg dem Opfer die Schuld in die Schuhe zu schieben, indem er mit Blick auf den Krieg im Nachbarland eine ausgleichende Strategie propagiere, was im krassem Gegensatz zu den vorherrschenden Meinungen in Europa und den USA stehe. Die Leitartikler des liberalen Wochenmagazins halten Orbán zudem vor, dass er dem Treffen seiner Amtskollegen aus Polen, der Tschechischen Republik und Slowenien mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Kiew ferngeblieben sei. (Bei der Zusammenkunft wurden Möglichkeiten für eine aktive Unterstützung der Ukraine erörtert – Anm. d. Red.) Die Ukraine-Strategie von Ministerpräsident Orbán werde Ungarn weiter isolieren und seine Sicherheit gefährden, glaubt die Redaktion von Magyar Narancs.
Die „Strategie des Ausgleichs“ der ungarischen Regierung sei widerwärtig, lautet das harsche Urteil von János Széky, nachzulesen in der Wochenzeitung Élet és Irodalom. Der liberale Autor wirft der Regierung außerdem vor, die Schuld auf die Opfer abzuwälzen sowie die Verantwortung Russlands für den Ukraine-Krieg zu relativieren. Zum Besuch der drei mitteleuropäischen Ministerpräsidenten in Kiew beklagt Széky: Ungarn könne nicht mehr als Teil Mitteleuropas betrachtet werden. Im Übrigen fragt sich Széky, ob Präsident Putin bei seinem letzten Treffen mit Orbán Anfang Februar den ungarischen Regierungschef wohl in seine Pläne für einen Einmarsch in die Ukraine eingeweiht habe.
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