Wochenpresse über die Hürden für den schwedischen Nato-Beitritt
25. Sep. 2023Regierungskritiker verurteilen den Fidesz scharf, weil die Partei ständig neue Gründe für eine Verschiebung der Abstimmung über den Nato-Beitritt Schwedens vorbringt. Eine regierungsnahe Analystin hält die Bedenken der Regierungsseite dagegen für wohl begründet.
Szabolcs Szerető wirft der Regierung vor, „mit der Sicherheit anderer Länder zu spielen“, wenn sie die Abstimmung über den schwedischen Nato-Beitritt nun bereits zum dritten Mal verschiebe. In Magyar Hang verurteilt der Kommentator dieses Vorgehen gar als Ausdruck von „politischem Gangstertum“ und argumentiert, dass die von schwedischen Politikern an der illiberalen Politik Ministerpräsident Orbáns durchgängig geäußerte Kritik innerhalb des Nordatlantischen Bündnisses nicht als hinlänglicher Grund betrachtet werde, um den Beitritt Schwedens zu blockieren. Infolgedessen, so Szerető, werde die ungarische Regierung in hochrangigen Nato-Kreisen als unzuverlässiger Partner beurteilt.
In einer noch aufgebrachteren Kolumne für Heti Világgazdaság bezweifelt Árpád W. Tóta die Erklärung, der zufolge die Fidesz-Abgeordneten durch die schwedische Kritik am Zustand der Demokratie in Ungarn zu massiv beleidigt seien, um die Frage der Nato-Mitgliedschaft Stockholms auf die Tagesordnung zu setzen. Ein echtes Motiv könnte Erpressung sein. So solle das skandinavische Land Ungarn bei dessen Überzeugungsarbeit gegenüber Brüssel helfen, damit die Europäische Kommission die verschiedenen für Ungarn bestimmten, aber aufgrund von Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit eingefrorenen Gelder endlich freigebe. Tóta aber bevorzugt eine andere Erklärung: Die ungarische Regierung agiere einfach als „russische Agentin“. Es gebe kein Prozedere, um Ungarn aus der Nato auszuschließen, erinnert Tóta, doch sei er überzeugt, dass Schweden am Ende Nato-Mitglied und Ungarn auf die eine oder andere Weise an den Rand gedrängt werde.
Im traditionellen Leitartikel auf der ersten Seite von Magyar Narancs widersprechen die Autoren dieser Interpretation. Sie vertreten die Auffassung, dass die ungarische Regierung lediglich der Haltung Ankaras gegenüber Schweden folge. Anfang des Sommers habe es so ausgesehen, als würde die Türkei Schweden sehr bald grünes Licht für den Nato-Beitritt geben. Daraufhin hätten ungarische Regierungskreise angekündigt, dass das Parlament in Budapest den Beitritt Schwedens im Oktober ratifizieren werde. In der Zwischenzeit allerdings habe die Türkei den Vereinigten Staaten mitgeteilt, sie werde ihren Widerstand gegen die schwedische Nato-Mitgliedschaft erst aufgeben, sobald der US-Senat den Verkauf von F-16-Kampfbombern an Ankara genehmigt habe. Vor diesem Hintergrund – so der Verdacht des linksliberalen Wochenmagazins – habe die ungarische Regierung einen neuen Stolperstein für Schwedens Nato-Beitritt gesucht und gefunden: Ein Unterrichtsvideo für Schulkinder, in dem Ungarn als Land mit einer Demokratie auf dem Rückzug dargestellt werde.
In einem Demokrata-Artikel beschreibt Mariann Őry dagegen das von einem schwedischen Fernsehsender produzierte Video als eine höchst gravierende Angelegenheit. Ungarn sei in den vergangenen acht Jahren mit Sanktionen und der Aussetzung von Geldern bedroht worden, auf die es Anspruch habe. Das ist nach Ansicht der Kolumnistin des regierungstreuen Magazins der Versuch, die Mitgliedsländer von einer aufrührerischen Haltung abzubringen. Diesmal jedoch ziele ein unausgewogener Bericht über Ungarn darauf ab, das Denken von Schulkindern zu beeinflussen, was besonders ekelerregend sei. Őry schließt sich der Frage führender Vertreter Ungarns an, wie Schweden unter solchen Bedingungen von den ungarischen Abgeordneten eine Ratifizierung seines Nato-Beitritt erwarten könne.
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