Wochenpresse zur Europawahlkampagne
20. May. 2024Die Kommentatoren stellen fest, dass der diesjährige Wahlkampf vor allem wegen des Auftretens einer neuen starken Oppositionskraft – der TISZA-Partei von Péter Magyar – deutliche Veränderungen erfahren hat.
In Heti Világgazdaság bezeichnet Réka Kinga Papp es als erstaunlich, dass Péter Magyar im Nordosten des Landes ungewöhnlich viele Menschen habe mobilisieren können, da die ortsansässige Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten politisch meist passiv gewesen sei und überwiegend für die politisch Stärkeren gestimmt habe. Zahlreiche Menschen dieser Region würden in Magyar nunmehr jemanden sehen, der ihr Leben entscheidend verändern könne. Die TISZA-Partei kann laut Papp diese Erwartungen nur erfüllen, wenn sie mehr biete als nur den Personenkult um Péter Magyar. Vielmehr müsse sie die Interessen der verlassenen armen ländlichen Gebiete vertreten.
In einem von zwei Leitartikeln tadelt Magyar Narancs den Tonfall der Regierungskampagne und nennt ihn regelrecht idiotisch. Die liberalen Redakteure fragen sich, was die Fidesz-Oberen wohl von ihren Wählern halten müssten, wenn sie mit der Behauptung daherkämen, die einzige Möglichkeit, einen Krieg zu vermeiden, sei ein Votum für Ministerpräsident Orbán bei den Europawahlen. Sie beklagen, dass solch niedrige geistige Standards derzeit die Unterstützung von mindestens 1,5 bis zwei Millionen Wählerinnen und Wählern in Ungarn genössen.
In einer ausführlicheren Analyse zum Thema notiert Attila Tibor Nagy, dass die Regierungspartei mit der Kriegsdrohung den elementarsten Instinkt der Menschen ansprechen würde, nämlich den der Selbsterhaltung. Mit solchen Slogans habe sie bei den vergangenen Parlamentswahlen vor zwei Jahren einen erdrutschartigen Sieg errungen, erklärt der Politologe in Magyar Hang. Seitdem hätten sich die Menschen jedoch an den Gedanken eines in der Ukraine tobenden Krieges gewöhnt. Deswegen habe der Fidesz den Einsatz erhöhen müssen, um – hoffentlich – den gleichen Effekt zu erzielen. Nunmehr würden sie behaupten, dass die Ungarn mit ihrer Stimme dazu beitragen könnten, einen atomaren Weltkrieg zu verhindern. Eine weitere im Wahlkampf eingesetzte Waffe sei der Versuch, Péter Magyar zu diskreditieren, der in diesem Jahr zur interessantesten politischen Figur avanciert sei. Allerdings schrecke auch Magyar vor Negativ-Kampagnen nicht zurück, schreibt Nagy. Möglicherweise befänden sich Aufnahmen oder aufschlussreiche Dokumente in seiner Tasche, die irgendwann im Wahlkampf auftauchen könnten.
Im Magazin Demokrata bezeichnet Gábor Bencsik die TISZA-Partei als „ein auf Sand gebautes Schloss“. Ohne die regierungsamtlichen Plakate zu erwähnen, auf denen vier Oppositionsführer, darunter Magyar, als „demütige Diener“ von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dargestellt werden, weist er die Behauptung zurück, Péter Magyar sei irgendjemandes Marionette. Allerdings, so fügt Bencsik hinzu, sei Politik keine Ein-Mann-Show. Magyar werde im Juni 20 bis 25 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und vier, vielleicht fünf Abgeordnete ins Europäische Parlament schicken können, ohne jedoch eine Gemeinschaft oder eine Institution hinter sich zu haben. Es dürften Scharen von Menschen zu seiner Partei strömen, doch werde er keine Möglichkeit haben, sie zu kontrollieren, obwohl es natürlich auch Verrückte, Betrüger und alle Arten von frustrierten Menschen gebe, die für die Politik ungeeignet seien. Dauerhafter politischer Erfolg sei ohne eine von loyalen und einander vertrauenden Menschen zusammengehaltene Gemeinschaft nicht möglich, schlussfolgert Bencsik.
In Mandiner erklärt Tamás Deutsch, der Spitzenkandidat des Fidesz für die Europawahlen, dass er nur an den Wahl-Streitgesprächen im staatlichen Fernsehen und auf ATV teilnehmen werde. Viele andere, darunter 444, Telex, HVG, 24.hu, RTL und Partizán, bezeichnet er als „Dollar-Medien“, die ihre eigene politische Propaganda verbreiten würden. Er fasst seine Botschaft an die Wähler zusammen und erklärt, die Ungarn sollten sich nicht darauf beschränken, den ungerechten Umgang ihres Landes durch Brüssel zu beklagen. Stattdessen müssten sie ihre Präsenz in den europäischen Institutionen verstärken, um den Angriffen auf die ungarische Souveränität von dort ein Ende zu bereiten.
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