Béla Biszku wegen Kriegsverbrechen angeklagt
19. Oct. 2013In einem regierungsfreundlichen Leitartikel wird die Ansicht vertreten, dass Biszku bereits früher hätte angeklagt werden sollen – jetzt jedoch könne, selbst falls der 92-Jährige verurteilt werden sollte, das ungarische Verlangen nach Gerechtigkeit nicht befriedigt werden.
Béla Biszku gehörte der von der sowjetischen Führung 1956 ernannten Regierung János Kádárs an. Im Herbst jenes Jahres hatte sich Moskau entschlossen, in Ungarn einzumarschieren und den Volksaufstand niederzuwerfen. In einigen Gebieten und Städten dauerte der Widerstand jedoch auch über den November 1956 hinaus an, wobei auf protestierende Menschenansammlungen scharf geschossen wurde. Biszku wird nun beschuldigt, bei zwei solchen Vorkommnissen – in Budapest sowie in Salgótarján – den Schießbefehl gegeben zu haben. Biszku bestreitet, davon gewusst zu haben. Auch will er nicht über die Tötung von Demonstranten durch Sonderkommandos informiert gewesen sein.
In Magyar Nemzet schreibt Miklós Ugró, der ältere Herr mag jetzt Mitgefühl erwecken. Doch selbst wenn sein Verfahren den Witwen und Waisen eine gewisse späte Genugtuung beschere, „hinterlässt der Fall einen bitteren Nachgeschmack anstatt einen Geschmack von Gerechtigkeit“. Kein kommunistischer Spitzenpolitiker sei vor Biszku jemals irgendeines Verbrechens angeklagt worden. Jetzt seien alle tot, obwohl „die Ungarn Kriegsverbrecher tatsächlich vor Gericht sehen wollten“, nicht als „Hexenjagd“ – eine Interpretation, die der Autor linken und liberalen Kommentatoren zuweist –, sondern als Abschreckung. Ugró spekuliert, dass eine Verurteilung das brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten im Jahr 2006 verhindert hätte. Diese Gelegenheit sei verpasst worden, so die Schlussfolgerung des Leitartiklers. Vielmehr lebe „die von Biszku repräsentierte Welt“ ungestört weiter.
Tags: 1956, Béla Biszku, Kriegsverbrechen