Parlament verabschiedet Atomgeschäft
8. Feb. 2014Die führende linke Tageszeitung des Landes geht davon aus, dass das mit Russland vereinbarte Geschäft über den Bau von zwei weiteren Kernkraftwerksblöcken in Paks lediglich den Interessen Moskaus sowie Unternehmen mit Verbindungen zum Fidesz dienen werde. Regierungsfreundliche Experten bezeichnen das Geschäft dagegen als vorteilhaft für das Land. Zugleich beschuldigen sie linke Politiker, sie hätten das AKW Paks in der Vergangenheit zur Finanzierung ihrer eigenen Partei sowie Privatgeschäfte genutzt.
Am Donnerstag hat das ungarische Parlament das Geschäft über das Atomkraftwerk in Paks verabschiedet (vgl. BudaPost vom 16, 27. und 30. Januar). Die Einzelheiten des mit Russland vereinbarten Kreditabkommens im Volumen von zehn Milliarden Euro sind vertraulich, allerdings wurde bekanntgegeben, dass sich die Kreditzinsen in einem Bereich zwischen 3,9 und 4,9 Prozent bewegen würden. Nach Angaben von Politikern des Regierungslagers sei das Geschäft für Ungarn von Vorteil und diene der Versorgungsunabhängigkeit im Bereich Energie, während es zugleich billigen Strom verschaffe. Oppositionsparteien hingegen kritisieren die Übereinkunft, die in ihren Augen nicht für niedrigere Energiepreise sorgen, sondern vielmehr eine Erhöhung der ungarischen Schuldenlast verursachen werde.
In ihrem Leitartikel auf der Titelseite behauptet Népszabadság, dass das Geschäft Russland sowie dem unternehmerischen Hinterland der Orbán-Regierung Gewinne garantieren werde. Die führende linksorientierte Tageszeitung Ungarns empfindet es als höchst problematisch, dass das Parlament das Geschäft verabschiedet habe, ohne dass die Parlamentarier über dessen genaue Einzelheiten im Bilde gewesen wären. Zudem kritisiert das Blatt die übereilte Abstimmung, der keine angemessene Debatte vorausgegangen sei. Népszabadság bezeichnet das Geschäft als deutlichen Hinweis darauf, dass es dem Fidesz hauptsächlich um das Knüpfen eines starken Kundengeflechts gehe.
Miklós Lázin von der Tageszeitung Magyar Hírlap glaubt, dass jedem, der etwas von Mathematik verstehe, absolut klar sein müsse, dass in Ungarn keine bezahlbare Alternative zur Kernkraft existiere. Sollten keine neuen Blöcke errichtet werden, die die aktuellen, aber zwischen 2032 und 2037 abzuschaltenden ersetzten, werde Ungarn Strom einführen müssen. Zur Zeit jedoch ließe sich unmöglich abschätzen, ob und ggf. zu welchem Preis ausländischer Strom zur Verfügung stehen werde. Der regierungsfreundliche Journalist fügt hinzu, dass aufgrund der geografischen Lage Ungarns Alternativen zur Atomkraft, darunter Wasser-, Sonnen- und Windenergie, Strom zu einem erheblich höheren Preis erzeugen würden als Atomkraftwerke.
In Magyar Nemzet äußert György Pihal den Verdacht, dass sich die sozialistischen Kritiker des Atomgeschäfts Sorgen um ihre eigenen finanziellen Interessen und weniger um die langfristigen Ungarns machen würden. Er erinnert daran, dass Firmen im Besitz von oder mit Verbindungen zu sozialistischen Politikern unter früheren linken Regierungen gewöhnlich lukrative Verträge mit dem Atomkraftwerk Paks vereinbart hätten. (So hatte Magyar Nemzet berichtet, dass der sozialistische Parlamentsabgeordnete István Jozsa – seines Zeichens ein vehementer Kritiker des aktuellen Paks-Geschäftes – an Firmen beteiligt gewesen sei, die mit dem Atomkraftwerk Verträge im Gesamtvolumen von 6,5 Milliarden Forint abgeschlossen hatten. Unternehmen im Besitz von anderen sozialistischen Politikern, darunter den ehemaligen Regierungschefs Péter Medgyessy und Ferenc Gyurcsány, hätten demnach ebenfalls einige weniger umfangreiche Geschäftsverbindungen zu dem Atomkraftwerk unterhalten. – Anm. d. Red.)
Tags: Atomdeal, Geschäftsverbindungen