Europawahl ante portas
24. May. 2014Mit Blick auf die am Wochenende stattfindende Europawahl hält es eine liberale Kommentatorin für absolut sinnlos, sich in die Abstimmungslokale zu begeben. Andere liberale und linke Beobachter hingegen glauben, dass die europäischen Sozialisten und Liberalen helfen können, die Macht Orbáns zu begrenzen. Konservative Kolumnisten wiederum vertreten die Auffassung, dass weder eine weitere länderübergreifende Integration noch ein radikaler EU-Skeptizismus den ungarischen Interessen dienen würden.
„Erstmals in meinem Leben werde ich nicht wählen gehen“, offenbart Dóra Ónody-Molnár in Népszabadság. Die liberale Kolumnistin empfindet es als enttäuschend, dass die Europawahl in Ungarn nichts mit europäischer Politik zu tun habe. Statt die Zukunft der EU zu erörtern, betrachteten die ungarischen Parteien den Urnengang als ein Rückspiel der Parlamentswahlen vom April, behauptet Ónody-Molnár. Auch hält sie sich mit einer Unterstützung für eine der linken Parteien zurück, denn diese hätten nichts aus der April-Niederlage gelernt und seitdem keine bedeutungsvolle Botschaft oder Vision von sich gegeben, beklagt Ónody-Molnár.
Diejenigen, die nicht zur Wahl gingen, spielten den EU-skeptischen Rechten in die Hände, einschließlich Fidesz und Jobbik, stellt Gábor Miklós in der gleichen Tageszeitung fest. Nach Auffassung des linken Kolumnisten sollte die Europawahl als ein Referendum über die europäische Integration betrachtet werden, darunter die Bewegungsfreiheit sowie die von der EU garantierten Grundrechte. Diejenigen, die nicht wählen gingen, würden gegenüber dem EU-Skeptizismus kapitulieren, schlussfolgert Miklós.
Laut einem Leitartikel auf der ersten Seite von Magyar Narancs ist die Europawahl für Ungarn von großer Bedeutung, da die Europäische Union dabei helfen könne, „die absolute Herrschaft Viktor Orbáns in diesem Lande auszugleichen und zu kontrollieren“. Um Ministerpräsident Orbán zu schwächen, empfiehlt der Leitartikel, eine der linken Parteien zu wählen, die in die europäischen Sozialisten, Grünen bzw. Liberalen integriert sind.
Zsolt Bayer von Magyar Hírlap hält es für äußerst wichtig, wenn Ungarn Vertreter zur EU schicken würde, die entschlossen nationale Interessen verträten. Der regierungsfreundliche Kommentator glaubt, dass sich die linken Parteien eher ausländischen Mächten beugen wollten. Sie, die „mehr Europa“ wünschten, würden eher deren Interessen als denen Ungarns dienen, während die rechtsextreme Jobbik mit Russland unter einer Decke stecke (vgl. BudaPost vom 20. Mai).
Ebenfalls in Magyar Hírlap merkt Péter Szentmihályi Szabó an, dass es von erheblicher Bedeutung für Ungarn sei, wenn dessen Interessen innerhalb der EU vom Fidesz vertreten und verteidigt würden. Der konservative Autor vergleicht die Union mit Weltreichen, in denen die ungleiche Entwicklung der Mitgliedsstaaten für ständige Interessenkonflikte zwischen den imperialen Zentren und der weniger entwickelten Peripherie sorgten. In einer Nebenbemerkung wirft Szentmihályi Szabó Jobbik vor, die Partei würde in unverantwortlicher Art und Weise suggerieren, dass es Ungarn besser ginge, würde es die EU verlassen.
„Ungarn wird darunter leiden, falls schulmeisterliche Menschenrechtsaktivisten, Verteidiger der Rechte Homosexueller, Hyperliberale sowie Unterstützer der nordatlantischen Integration die Europawahl gewinnen würden“, schreibt András Bencsik in Magyar Demokrata. Der auf Regierungslinie liegende Chefredakteur der Wochenzeitung sagt voraus, dass, falls die Rechte keine Mehrheit im Europaparlament erlange, Ungarn von europäischen Liberalen und Sozialisten unter Feuer genommen werde. Diese würden dem Land Rassismus, Homophobie und Antisemitismus vorwerfen. Ein überwältigender Fidesz-Sieg könne den Ausschlag geben und der Europäischen Volkspartei zum Sieg verhelfen, spekuliert Bencsik.
In Magyar Nemzet räumt Tibor Löffler ein, dass eine weniger stark integrierte EU im Interesse Ungarns liege. Eine EU also, in der die Nationalstaaten hinsichtlich ihrer Souveränität größere Spielräume hätten. Der konservative Analyst kritisiert sowohl „Kosmopoliten und Transnationalisten“, die die nationale Souveränität schwächen wollten, als auch rechtsradikale Kritiker einschließlich Jobbik, die zur Zusammenarbeit mit nicht westlichen Mächten bereit seien, darunter Russland und Iran, um die EU zu schwächen. Dieser rechtsradikale Denkansatz würde die nationalen Interessen Ungarns genauso ausländischen Interessen unterordnen, wie es diejenigen täten, die die Idee der Vereinigten Staaten von Europa unterstützten, gibt Löffler zu bedenken.
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