Navracsics-„Verhör“ eine Schande?
9. Oct. 2014Die politischen Beobachter sind sich sicher, dass der Kandidat von Ministerpräsident Viktor Orbán seinen Platz in der Europäischen Kommission wird einnehmen können. Nach Ansicht eines rechten Analysten sollte die Befragung von Navracsics im Kulturausschuss des Europaparlaments lediglich einen bereits lange zuvor ausgehandelten Deal unter den Teppich kehren.
Lehel Kristály weist in Magyar Hírlap darauf hin, dass verschiedene Kandidaten, darunter diejenigen aus Großbritannien, Tschechien, Frankreich und Slowenien, Probleme mit der Beantwortung von Sachfragen und damit ein begrenztes Fachwissen im Bereich ihrer künftigen Portfolios an den Tag gelegt hätten. Navracsics wiederum sei zu innenpolitischen Problemen befragt worden und es habe keinerlei Zweifel an seiner Kompetenz gegeben (vgl. BudaPost vom 7. Oktober). Seine linken Gegner hätten Probleme mit der jüngst per parlamentarischer Zweidrittelmehrheit wiedergewählten ungarischen Regierung, glaubt Kristály. Sie hätten anerkennen müssen, dass er für das Amt geeignet sei – nicht aber für das gesamte Portfolio. Das bedeute, dass ein Aspekt von untergeordneter Bedeutung, beispielsweise die Europäische Staatsbürgerschaft, von einem anderen Kommissar übernommen werden dürfte.
Navracsics ähnele dem biblischen Judas, meint Péter Somfai in Népszava. Er begründet diesen Vergleich damit, dass der künftige ungarische EU-Kommissar der Kommission mitgeteilt habe, er sei mit der Regierungspolitik in Sachen Pressefreiheit und rückwirkende Gesetzgebung nicht einverstanden gewesen. In sarkastischem Ton sagt Somfai voraus, dass Navracsics in der künftigen Europäischen Kommission kein Hemmschuh sein werde, habe er doch als Minister im Kabinett auch keine Einwände erhoben, obwohl er nach eigenem Bekunden in zahlreichen Fragen nicht mit ihm übereingestimmt habe.
In Magyar Nemzet gibt sich Zoltán Kottász überzeugt, dass die Fraktionschefs von Europäischer Volkspartei und Sozialisten bereits lange vor den Anhörungen vereinbart hätten, die Kandidaten des jeweils anderen zu unterstützen. Dieser Deal habe allerdings geheim bleiben müssen. Folglich hätten sie ihren Europaparlamentariern erlaubt, bei den Anhörungen einige „mit Bedacht ausgewählte“ Kandidaten besonders in die Mangel zu nehmen. Die schonungslosen Befragungen sollten lediglich den geheimen Deal verschleiern und den Anschein von Demokratie innerhalb des Europäischen Parlaments aufrecht erhalten, schlussfolgert Kottász.
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