Politisches Statement vom Burgtheater
24. Apr. 2015Konservative Kommentatoren bedauern die von einem Burgtheaterschauspieler nach einer Gastaufführung von Tschechows „Die Möwe“ im Budapester Nationaltheater verlesene politische Stellungnahme. Linke Analysten hingegen sind in der Frage gespalten. Der Eklat ereignete sich im Rahmen des alljährlich stattfindenden internationalen Theaterfestivals.
In Napi Gazdaság stellt Ottó Gajdics fest, die Ungarn würden Wien wegen seines lebendigen Kulturlebens, der Museen, Ausstellungshallen und Konzerte bewundern. Allerdings würde sich dort eine „rücksichtslose Gruppierung“ zur lautesten aufschwingen. Genau so wie in Ungarn, fügt der Autor hinzu, und spielt damit auf linksliberale Künstler an, die die Regierungspolitik häufig radikal kritisieren. Darüber hinaus pflichtet Gajdics dem Schauspieler Péter Blaskó bei, der seine österreichischen Kollegen zu einer Entschuldigung für deren Fauxpas aufgefordert hatte. (Schauspieler Martin Reinke hatte dem Budapester Theaterpublikum einen Text vorgelesen, in dem es unter anderem heißt: „Ungarn entfernt sich immer mehr vom Geist der Demokratie und von Europa.“ / Gajdics gab seinen Posten als Chefredakteur von Lánchíd Rádió auf, nachdem sich dessen Eigentümer Lajos Simicska gegen Ministerpräsident Viktor Orbán gewandt hatte (vgl. BudaPost 2014 und 2015). Napi Gazdaság wurde vom ehemaligen Magyar Nemzet-Chefredakteur Gábor Liszkay übernommen, der das Blatt in eine dem Regierungslager nahestehende politische Tageszeitung umgestaltet. Insgesamt arbeiten bei dem von der regierungsfreundlichen Denkfabrik Századvég übernommenen Blatt etwa 40 Journalisten, die Medien des Simicska-Imperiums, darunter Magyar Nemzet, HírTV sowie Lánchíd Rádio, verlassen hatten – Anm. d. Red.)
In Heti Világgazdaság schreibt Péter Techet: Falls Blaskó nach Wien fahren und dem Publikum im Burgtheater mitteilen würde, er wäre über den Stand der Dinge in Wien besorgt, würde er Applaus ernten.
In Népszabadság äußert sich László Zappe hingegen vorsichtiger: Das Vortragen negativer politischer Urteile zum Zustand in einem Gastland nach einer Theateraufführung „muss man als unhöflich bewerten, auch wenn wir einer Meinung sein sollten“.
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