Bilanz der Migrationsdebatte
15. Jun. 2015Mehrere Kommentatoren beschäftigen sich mit dem Thema Migration. Dabei stellen sie die Frage, ob die Diskussion die Regierungspartei stärken oder schwächen werde und ob die Opposition Kapital aus der Kritik an der Negativ-Rhetorik der Regierenden schlagen könne.
Die gegen Einwanderer gerichtete Kampagne der Regierung werde nach hinten losgehen, glaubt Tamás Mészáros. In der Tageszeitung Népszava erinnert der linksorientierte Kommentator daran, dass die Gegner der vom Kabinett Orbán initiierten und gegen Migranten gerichteten Plakat-Aktion (vgl. BudaPost vom 9. Juni) innerhalb von zwei Tagen 30 Millionen Forint gesammelt hätten, um damit eine satirische Gegenkampagne zu starten. Mészáros prognostiziert, dass die Botschaften des Fidesz selbst die Kernwählerschaft der Mitte-Rechts-Partei befremden dürften.
In Népszabadság äußert Balázs Böcskei die Befürchtung, dass die Aufforderung der Linken, man möge die auf Geheiß der Regierung aufgestellten Anti-Migranten-Plakate niederreißen, dem Fidesz in die Hände spiele. Die Anwendung gewaltloser, aber dennoch ungesetzlicher Aktionen im Namen zivilen Ungehorsams gebe dem Fidesz die Möglichkeit, die Linke als „radikal“ abzustempeln, glaubt der linksorientierte Politologe. Mehr noch, die Debatte über Fragen der Migration lenke die öffentliche Aufmerksamkeit vom Korruptionsgebaren der Regierenden ab. Weiter schreibt Böcskei: Obgleich der Protest gegen die immigrationsfeindliche Rhetorik der Regierung der Linken eine gewisse Aufmerksamkeit beschere und ihr dabei helfe, sich um eine moralische Frage herum zu einen, habe die Opposition bislang keine glaubwürdigen migrationspolitischen Argumente vernehmen lassen.
Während die Linke die Haltung der Regierung vehement kritisiere, existierten sowohl in Ungarn als auch EU-weit starke migrationskritische Stimmungen, notiert der Autor. In einer Nebenbemerkung äußert Böcskei die Vermutung, dass die von Jobbik vorgebrachte moderate Kritik sowohl an den Botschaften der Regierung als auch der Linken beim Durchschnittsungarn auf fruchtbaren Boden stoßen könnte.
Nach monatelanger Verwirrung hätten die Regierungsparteien die Kontrolle über die öffentliche Debatte wiedererlangt, gibt sich János Zila überzeugt. In Magyar Hírlap behauptet der regierungsfreundliche Politologe, dass, indem die Frage der Migration auf der Agenda gehalten werde, die Regierenden das Wahlvolk erreichen könnten, da eine Mehrheit deren Vorstellungen zum Thema Einwanderung teilen würde. Das bedeute, je intensiver die Opposition die Botschaften der Regierung infrage stelle, umso stärker profitiere die Regierung von der öffentlichen Debatte, schlussfolgert Zila.
In Magyar Nemzet kommentiert Miklós Ugró jüngste Meinungsumfragen. Dabei kommt er unter anderem zu dem Schluss, dass der Fidesz mit der Eröffnung der einwanderungspolitischen Diskussion seinen Verfall habe stoppen können. Der konservative Kolumnist sagt voraus, dass in dem Maße, wie sich die Situation hinsichtlich der Zuwanderung in Europa weiter zuspitzen werde, die einwanderungskritischen Argumente des Fidesz immer populärer werden dürften.