Das Niedriglohn-Paradox
11. Nov. 2015Ein Wirtschaftsjournalist befasst sich eingehend mit dem Thema Niedriglöhne. Dabei verweist er darauf, dass das niedrige Lohnniveau, das Investitionen in die ungarische Wirtschaft bislang beflügelt habe, mittlerweile zu einer immer größeren Belastung für einheimische Unternehmen werde, da zahlreiche qualifizierte Arbeitskräfte Ungarn den Rücken kehrten. Der Kommentator empfiehlt deswegen der Regierung ein Einschreiten mit dem Ziel der Erhöhung von Löhnen, um auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu erhalten.
„Das Lohnniveau bildet eine ernste Hürde für ein rasantes Wirtschaftswachstum“, schreibt Gergely Kiss in Napi Gazdaság. Während niedrige Löhne bedeutende Investitionen angelockt hätten – unter anderem in die Automobilindustrie (vgl. BudaPost vom 3. November) – gerate die ungarische Wettbewerbsfähigkeit aufgrund des Mangels an geeigneten Arbeitskräften zunehmend unter Druck, notiert Kiss unter Verweis auf Statistiken, denen zufolge gegenwärtig über 71.000 Arbeitsplätze unbesetzt sind. Das Fehlen qualifizierter Mitarbeiter sei eine große Herausforderung sowohl für Logistikunternehmen als auch für den Automobilsektor oder die verarbeitende Industrie. Kiss erinnert daran, dass einige groß angelegte ausländische Investitionsvorhaben hätten abgesagt werden müssen. Der Autor verweist als Beispiel auf die Eröffnung eines Montagewerks für den Jaguar Land Rover, die abgesagt werden musste, weil nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung standen.
„Der Hauptgrund für das Fehlen einer ausreichenden Anzahl an Fachkräften ist die Migration“, behauptet Kiss. Um die Abwanderung von Arbeitnehmern zu stoppen, sollten ungarische Firmen ihre Löhne deutlich erhöhen, empfiehlt der Kommentator. Allerdings werde es nicht möglich sein, die ungarischen Löhne so konkurrenzfähig zu gestalten wie etwa die deutschen, da eine derartige Erhöhung die ungarischen Unternehmen zweifellos unrentabel machen würde. Paradoxerweise nehme im Zusammenhang mit der wachsenden Weltwirtschaft auch in ganz Europa die Nachfrage an gut ausgebildeten Fachkräften zu, fährt Kiss fort. Allerdings würde nach Angaben der Raiffeisen Bank eine pauschale Lohnerhöhung um 15 bis 20 Prozent die Gewinne ungarischer Unternehmen nicht ernsthaft schmälern. Als einen möglichen Kompromiss verweist Kiss auf die Forderung des Wirtschaftswissenschaftlers Zoltán Pogátsa nach einem Einschreiten der Regierung. Diese solle höhere Löhne durchsetzen, um die ungarische Wettbewerbsfähigkeit zu schützen.
Tags: Abwanderung, Fachkräftemangel, Mindestlohn