Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn
15. Dec. 2015Ein regierungsfreundlicher Kolumnist hat die Europäische Union dazu aufgerufen, anstatt gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten, falls es Brüssel tatsächlich um die Rechte von Flüchtlingen gehen sollte. Besonders empört ist der Kolumnist über Tiraden von Europaparlamentspräsident Martin Schulz Richtung Nationalstaaten.
Die Europäische Kommission lehnt die jüngste ungarische Gesetzgebung in Sachen Einwanderung mit dem Argument ab, Asylbewerber könnten aus Ungarn abgeschoben werden, noch während eventuell anhängige Berufungsverfahren liefen. Zudem wird bemängelt, dass die Rechte der Asylbewerber im Hinblick auf Dolmetscher und Übersetzungen nicht garantiert würden. Justizminister László Trócsányi hat diese Einwände als technischer Natur charakterisiert. Zeitungsberichten zufolge ist die Regierung – falls nötig – zur Korrektur der einschlägigen Bestimmungen bereit. Budapest wolle das Problem auf dem Verhandlungsweg mit der EU-Kommission lösen, statt sich in der Angelegenheit an den Europäischen Gerichtshof zu wenden.
In Magyar Idők bezeichnet Dávid Megyeri die Haltung von EU-Spitzenpolitikern als widersprüchlich. Einerseits gebärdeten sie sich, als wünschten sie eine Überflutung Europas „durch den halben Nahen Osten“. Auf der anderen Seite wollten sie Hunderttausende von Flüchtlingen aus Deutschland umverteilen. Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, habe Mitgliedsländer abgekanzelt, die sich weigerten, verbindliche Verteilungsquoten zu akzeptieren, und geäußert, „der Rückzug vieler Regierung in nationalstaatliches Denken“ sei eine tödliche Gefahr für die Union.
In Wirklichkeit, wendet Megyeri ein, sei das deutsche Bestreben nach einer Umsiedlung von Flüchtlingen ebenfalls „nationalstaatliches Denken“, was bedeute, dass die aus Juncker, Schulz und Merkel bestehende „anti-europäische Troika“ nichts gegen nationalstaatliches Denken einzuwenden habe, so lange es sich bei dieser Nation um Deutschland handele. Anstatt sich Ungarn herauszupicken, sollten sie lieber ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten, das bislang lediglich einen Bruchteil der eine Million Asylanträge aus dem zurückliegenden Jahr bearbeitet habe, empfiehlt Megyeri.
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