Verfassungsgericht verwirft Novelle des Nationalbankgesetzes
4. Apr. 2016Vergangene Woche hat das ungarische Verfassungsgericht die vom Parlament verabschiedete Novellierung des Nationalbankgesetzes als grundgesetzwidrig abgelehnt. Vor diesem Hintergrund bezichtigen ein linker sowie ein konservativer Analyst die Regierung der massiven Korruption. Eine der Regierung nahestehenden Kolumnistin dagegen behauptet, das Urteil sei ein Beleg dafür, dass der ungarische Rechtsstaat nach wie vor gut funktioniere.
In der zurückliegenden Woche hatten zunächst der Oberste Gerichtshof (Kurie) und anschließend das Verfassungsgericht die Modifizierungen des Nationalbankgesetzes (vgl. BudaPost vom 4. März) als nicht verfassungsgemäß zurückgewiesen. Letzteres argumentierte, dass es sich bei den von der Nationalbank ihren Stiftungen überwiesenen Geldern noch immer um öffentliches Vermögen handele. Folglich dürften Informationen über dessen Verwendung nicht geheimgehalten werden.
„Der Rechtsstaat ist noch nicht völlig tot“, frohlockt Miklós Hargitai in Népszabadság angesichts des Verfassungsgerichtsurteils. Der linksgerichtete Kolumnist wirft der Regierung vor, sämtliche öffentlichen Ämter „zu übernehmen“ und die Kontrollmechanismen außer Kraft zu setzen, damit sie Milliarden von Forint in ihr Umfeld kanalisieren und ihren Verbündeten zuschanzen könne. Das Urteil des Verfassungsgerichts werde die Korruption nicht stoppen, zumindest aber dazu beitragen, dass die Ungarn das Ausmaß der Transaktionen der Regierung erkennen könnten, notiert Hargitai.
Die fehlende Transparenz unter der Fidesz-Regierung sei zutiefst enttäuschend, konstatiert Péter Hajdú in Magyar Nemzet. Für den konservativen Kolumnisten ist es verstörend, dass der Fidesz, der doch nach Korruptionsvorwürfen gegen die linksliberalen Vorgängerregierungen an die Macht gekommen war, nunmehr selbst eine massive Zentralisierung sowie diskretes Geldverteilen betreibe. Der Autor vermutet, dass die Menschen zunehmend unzufrieden auf eine derartige Regierungsführung reagieren werden. Wenn die Migrationskrise erst einmal abklingen sollte, könnte der Fidesz öffentliche Unterstützung einbüßen, so Hajdú.
Anna Kulcsár wiederum hält das Urteil des Verfassungsgerichts für wenig überraschend. In Magyar Idők schreibt die regierungsfreundliche Kolumnistin, jedermann sei von Anfang an klar gewesen, dass die Novelle des Nationalbankgesetzes nicht im Einklang mit der Verfassung stehe und das von der Nationalbank ihren Stiftungen zur Verfügung gestellte Geld noch immer öffentliches Vermögen sei. In einem demokratischen Land sei es nicht ungewöhnlich, wenn vom Parlament verabschiedete Gesetze für verfassungswidrig erklärt würden. Das Urteil des Verfassungsgerichts zeige, so Kulcsár, dass der Rechtsstaat in Ungarn äußerst lebendig sei.