Angela Merkels migrationspolitische Selbstkritik
21. Sep. 2016Ungeachtet ihrer selbstkritischen Äußerungen sei es unwahrscheinlich, dass Kanzlerin Merkel eine Kehrtwende ihrer Migrationspolitik vollführen werde, vermutet ein regierungsfreundlicher Kolumnist. Die führende linke Tageszeitung dagegen lobt Merkels Bemühungen und stellt ihre integrative Politik der Migrationsrhetorik der ungarischen Regierung gegenüber.
Kanzlerin Merkel müsse ihre Migrationsvision überdenken, fordert László J. Kiss in Magyar Idők. Der Professor für Internationale Beziehungen interpretiert Angela Merkels selbstkritische Äußerungen nach den Senatswahlen in Berlin als Eingeständnis des Scheiterns. (Kanzlerin Merkel hatte am Montag eingeräumt, dass es Deutschland historisch gesehen nicht geschafft habe, Migranten zu integrieren. Auch sei das Land nicht darauf vorbereitet gewesen, die gegenwärtige Flüchtlingskrise angemessen zu bewältigen. Mit ihrer Annahme, Deutschland wäre auf die Bewältigung des Zustroms Hunderttausender von Flüchtlingen vorbereitet gewesen, habe sie falsch gelegen, so Merkel. Dessen ungeachtet räume sie in der Einwanderungspolitik humanitären Erwägungen den Vorrang ein, „auch wenn Asylsuchende nicht unkontrolliert ins Land gelassen werden können“ – Anm. d. Red.) Die Kanzlerin werde, so Kiss, gewisse Anpassungen vornehmen und etwas strengere Einwanderungsvorschriften erlassen. Doch sei kaum anzunehmen, dass sie eine Kehrtwende in ihrer Migrationspolitik vollziehen werde. Angesichts einer fehlenden echten Alternative könne man davon ausgehen, dass Angela Merkel – ungeachtet des Popularitätsverlusts ihrer Partei – die Christdemokraten auch im Wahljahr 2017 anführen werde, notiert Kiss.
Angela Merkel habe zumindest den Versuch unternommen, menschlich zu sein, heißt es im Leitartikel auf der Titelseite von Népszabadság. Die Kanzlerin habe das Richtige getan, auch wenn sie die deutschen Wähler nicht von der Notwendigkeit habe überzeugen können, Migranten humanitäre Hilfe zu leisten. Die führende linke Tageszeitung stellt Merkels Bemühungen um eine integrativere, tolerantere und gastfreundlichere Haltung der deutschen Gesellschaft der Gesinnung von Ministerpräsident Orbán gegenüber, der laut Népszabadság aus Fremdenfeindlichkeit Kapital schlagen wolle.