Jobbik: Residenz-Programm abschaffen!
21. Oct. 2016Ein regierungsnaher Publizist wirft Jobbik Landesverrat vor. Anlass ist die Ankündigung von Jobbik-Chef Gábor Vona, die Zustimmung seiner Partei zu den von Ministerpräsident Viktor Orbán vorgesehenen Verfassungsänderungen von einer Abschaffung des Residenzoptionsprogramms abhängig zu machen. Für einen konservativen Kolumnisten dagegen ist klar: Sollte der Fidesz in dieser Frage nicht nachgeben, werde offenbar, dass die Regierungspartei ein finanzielles Interesse am Verkauf von ungarischen Niederlassungsrechten an Ausländer habe.
Am Dienstag trafen der Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Jobbik, Gábor Vona, und Ministerpräsident Viktor Orbán zusammen, um die vom Regierungschef vorgeschlagenen Verfassungsänderungen (vgl. BudaPost vom 15. Oktober) zu erörtern. Nach dem Treffen teilte Vona mit, seine Partei werde im Gegenzug zur Abschaffung des Residenzoptionsprogramms die Verfassungsnovelle unterstützen. Gemäß diesem Programm war seit 2013 rund 7.000 Investoren und deren Familienangehörigen die Niederlassung in Ungarn gestattet worden. In einer Reaktion warf Fidesz-Fraktionschef Lajos Kósa Vona „Landesverrat“ vor, weil er die Zustimmung seiner Partei zu den Verfassungsänderungen von einer Streichung des Programms abhängig mache. Dabei verwies Kósa auch darauf, dass seine Regierung bereits eine Überprüfung des gesamten Optionssystems angekündigt habe.
„Gábor Vona hat ein Eigentor geschossen“, konstatiert László Néző in Magyar Idők. Der regierungsnahe Autor bezichtigt den Jobbik-Vorsitzenden, er versuche den Ministerpräsidenten zu erpressen. Néző erinnert daran, dass Vona dem Fidesz noch im April „Landesverrat“ mit dem Argument vorgeworfen habe, das Quotenreferendum solle den politischen Interessen der Regierungspartei dienen und weniger Ungarn vor illegalen Migranten schützen. Nunmehr mache Jobbik genau das, was die Partei dem Fidesz zur Last gelegt habe. Obgleich Jobbik eine Verfassungsänderung gefordert habe, um einer Umverteilung von Migranten zuvorzukommen, nutze sie die Verfassungsänderung nunmehr zur Steigerung ihrer eigenen Popularität, kritisiert Néző und verweist darauf, dass der Fidesz zum Erreichen der für Verfassungsänderungen notwendigen Zweidrittelmehrheit die Unterstützung von lediglich einigen Jobbik-Abgeordneten benötigen werde. Sollte die Regierung nicht auf die Forderungen des Jobbik-Vorsitzenden eingehen, könnten dennoch genügend Jobbik-Parlamentarier mit Ja stimmen, um die Verfassungsänderungen passieren zu lassen. Dies, so Néző, wäre ein mächtiger Schlag für Jobbik-Chef Vona.
Für Tamás Wiedermann ist es eher die Regierung als Jobbik, die „Landesverrat“ begeht. Während die Regierung Flüchtlinge diffamiere, verkaufe sie Niederlassungsrechte an Tausende von wohlhabenden Investoren, schreibt Wiedermann in Magyar Nemzet. Der konservative Kolumnist erinnert daran, dass Ungarn bislang keinen einzigen Migranten aufgrund einer EU-Umverteilung habe annehmen müssen, sich aber Tausende aufgrund des Optionsprogramms in Ungarn hätten ansiedeln dürfen. Das Residenzoptionsprogramm diene lediglich den Interessen der mit dem Fidesz verbündeten Offshore-Firmen, die Milliarden Forint am Verkauf von Niederlassungsrechten an ausländische Investoren verdienten. Die Regierungspartei räume unumwunden Korruption ein, falls sie ihr Niederlassungprogramm für Investoren nicht aufgeben sollte, schlussfolgert Wiedermann.