Donald Trump nach wie vor Gesprächsthema
21. Nov. 2016Auch anderthalb Wochen nach den US-Präsidentschaftswahlen beschäftigen sich die ungarischen Wochenzeitungen mit den Auswirkungen von Trumps Sieg auf Ungarn im Speziellen sowie die politische Kultur im Allgemeinen.
In seinem wöchentlichen Leitartikel für Heti Válasz zieht Gábor Borókai eine Parallele zwischen dem Sieg Donald Trumps einerseits und der Niederlage der ungarischen sozialistisch-liberalen Regierungskoalition im Jahre 2010 andererseits. Beide Fälle seien ein Beleg dafür, dass ideologische Oberhoheit sowie Dominanz in den Medien für einen Machterhalt nicht ausreichen würden. Die Orbán-Regierung sollte auch auf die wachsende Unzufriedenheit in Ungarn achtgeben, empfiehlt der Journalist. Zwar hält Borókai die Arbeit des vom Fidesz geleiteten Kabinetts für erfolgreich, doch verweist er auch darauf, dass politische Skandale im Umfeld der Regierung Anti-Establishment-Gefühle befeuern würden.
Die Vision Trumps und der Illiberalismus von Ministerpräsident Orbán wurzelten in den selben Prinzipien, schreibt András Bencsik in Magyar Demokrata. Der der Regierung nahestehende Chefredakteur des Wochenmagazins bestreitet, dass der designierte US-Präsident Trump und Ministerpräsident Orbán grundlegende Werte des Liberalismus ablehnen würden. Allerdings rangierten für beide kollektive Interessen einer Nation vor den Interessen des Individuums – und Patriotismus vor kosmopolitischen Werten.
In der gleichen Publikation äußert László Szentesi Zöldi die Ansicht, dass sich die diplomatischen Beziehungen zwischen Ungarn und den Vereinigten Staaten nach Trumps Wahl verbessern werden. Szentesi Zöldi räumt ein, dass einige der vom Multimilliardär im Laufe des Wahlkampfes verbreiteten Botschaften zum Thema Außenpolitik unrealistisch und missverständlich gewesen seien. Dennoch sagt der Publizist voraus, dass der neue US-Präsident eher einen isolationistischen Weg beschreiten werde, statt Demokratie mittels militärischen Eingreifens verbreiten zu wollen. Da Ministerpräsident Orbán Donald Trump offen unterstützt habe, hegt Szentesi Zöldi die Hoffnung, dass der/die neue, Colleen Bell ablösende BotschafterIn weniger kritisch gegenüber der Regierung Orbán eingestellt sein werde, als seine bzw. ihre Vorgänger.
Zoltán Lakner warnt die Orbán-Regierung vor einem übertriebenen Optimismus hinsichtlich der Auswirkungen der Wahl Trumps auf Ungarn. In 168 Óra erinnert der linksorientierte Politologe an eine Äußerung Orbáns höchst persönlich, wonach sich die USA in der Außenpolitik von einem realistischen Pragmatismus, statt ideologischen Erwägungen leiten ließen. Folglich würden die Beziehungen zwischen den USA und Ungarn von den geopolitischen Zielen der Vereinigten Statten sowie den Beziehungen Washingtons zu Moskau und weniger von der ideologischen Überzeugung des US-amerikanischen Präsidenten bestimmt, warnt Lakner.
Ministerpräsident Orbán habe mit der Unterstützung Donald Trumps viel riskiert – und gewonnen, resümiert Istvan Dobozi in Élet és Irodalom. Beide Politiker, Donald Trump und Viktor Orbán, lehnten eine idealistische Politik ab und ließen sich stattdessen eher von Interessen als von Werten leiten. Folglich dürfte die ungarische Regierung künftig deutlich weniger Kritik aus den von Trump geführten USA auf sich ziehen als unter der gegenwärtigen Administration, die sich auf Menschenrechte und demokratische Prinzipien fokussiert habe.
Die Wahl eines „frauenfeindlichen, ungebildeten Trampels“ markiere eine kulturelle Konterrevolution, echauffiert sich Gáspár Miklós Tamás in Heti Világgazdaság. Der marxistische Philosoph schreibt: Donald Trump gehöre zur Kohorte der Rechts-Außen-Regierungen in Ungarn und Polen. Diese „konterrevolutionären“ Politiker kämpften gegen soziale Gleichberechtigung, lehnten ethnische Integration ab, befürworteten autoritäre sowie von Männern dominierte Hierarchien und erteilten dem Umweltschutz eine Absage.
Für Zsolt Jeszensky ist es eigenartig, dass liberale und linke Eliten die Anhänger Trumps verbal niedermachen und nicht den Versuch unternehmen würden, Verständnis für sie aufzubringen. Um die Richtigkeit ihrer kulturellen Identität aufrechtzuerhalten, bezeichneten die Progressiven Trump samt seiner Wähler als dumme, rassistische und homophobe Hinterwäldler. Auf Mandiner vertritt der konservative Autor die Ansicht, dass diese überhebliche und hysterische Haltung – gepaart mit der Unfähigkeit, ihre eigenen verknöcherten und als selbstverständlich betrachteten Grundprinzipien zu revidieren – liberale und linke Intellektuelle in naher Zukunft beim gemeinen Wahlvolk kaum beliebter machen werde.
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