Vonas Chanukka-Gruß zurückgewiesen
9. Jan. 2017Von Seiten einer liberalen Wochenzeitung erntet ein führender Vertreter des traditionalistischen Judentums massive Kritik, weil er Chanukka-Grüße des Rechtsaußen-Politikers Gábor Vona brüskiert zurückgewiesen hatte. Andere Kommentatoren stellen die Angelegenheit in einen etwas größeren Zusammenhang und nehmen das sich verändernde politische Profil von Jobbik sowie die Vorbereitungen der Parlamentswahlen vom Frühjahr 2018 in den Blick.
Vor Weihnachten und Chanukka (dem jüdischen Lichtfest) hatte Jobbik-Chef Gábor Vona Grußbotschaften an sämtliche großen Religionsgemeinschaften des Landes gesandt, darunter auch an den wichtigsten Vertreter des hiesigen Judentums, den Nationalrat der jüdischen Gemeinden in Ungarn (Mazsihisz), sowie an die EMIH, eine jüdische Gemeinde, die der orthodoxen Bewegung Chabad angehört. Der führende Rabbi der EMIH, Slomó Köves, reagierte auf die Grußbotschaft mit der Bemerkung: „Vona sollte derartige Gesten besser auf solchen Foren von sich geben, wo er früher stets Hass verbreitet hatte.“ Vona warf Köves daraufhin vor, dass er die Veränderungen der Politik seiner Partei offensichtlich nicht bemerkt habe.
Auf Mandiner äußerten sich der Vorsitzende von Mazsihisz, András Heisler, sowie dessen Stellvertreterin Henriett Kiss. Ihrer Ansicht nach wäre eine positive Entwicklung der Einstellung von Jobbik nicht auszuschließen. Beide erkennen die Absicht Vonas an, einen Jobbik-Ortsverband zu disziplinieren, der in rüdem Ton gegen die Initiative des Parteichefs protestiert hatte. Gleichzeitig äußern sie ihr Bedauern über folgende Passage in Vonas Brief: „Ungarische Christen und Juden haben sich gegenseitig unzählige Wunden zugefügt“, wobei der Politiker auf zwei kommunistische Regimes als beispielgebend hinwies. Heisler und Kiss bezeichnen dies als antisemitische Legende, da Juden oft zu den Opfern jener kommunistischen Regimes gehört hätten. Abschließend rufen die Autoren den Jobbik-Vorsitzenden auf, in seinen Politikwechsel auch Roma einzubeziehen, die von seiner Partei bereits seit Jahren verunglimpft würden.
Der wöchentlich in der Druckausgabe von Magyar Narancs erscheinende Leitartikel pflichtet Rabbi Köves in dessen Einschätzung bei, dass Vona fälschlicherweise hoffe, den rassistischen Charakter seiner Partei rasch vergessen machen zu können. Dessen ungeachtet vertritt das liberale Wochenblatt den Standpunkt, dass der Rabbi in seiner Erwiderung etwas mehr Geduld und Toleranz hätte an den Tag legen sollen, anstatt den Jobbik-Vorsitzenden zu demütigen und somit die Möglichkeit für einen Dialog zunichte zu machen.
Magyar Narancs geht sogar soweit zu vermuten, dass Fidesz hinter der Geste Köves’ stecke: „Man kann den Gedanken nur schwer zurückweisen, dass die jüdische Lieblingsorganisation der Regierung der Regierung einen Gefallen getan hat.“ Andererseits glauben die Leitartikler, dass die neue Politik Vonas mehr ist als lediglich ein Täuschungsmanöver, versuche er doch die unsichtbare Barriere zu durchbrechen, die verhindere, dass eine rassistische Partei im heutigen Ungarn mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen könne. Jeder möge sich seinen eigenen Reim darauf machen, ob Jobbik mit dem Abstreifen ihres Rassismus mehr Wähler verlieren werde, als die Partei im Gegenzug gemäßigte Stimmen zu gewinnen vermag.
Für Zoltán Laki ist es eine Überraschung, dass die strikt linksliberal ausgerichtete Wochenzeitung Magyar Narancs den Jobbik-Vorsitzenden gegen einen Spitzenvertreter des Judentums verteidigen sollte. Auf der Internetpräsenz von Heti Válasz erinnert Laki daran, dass Vona die Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen mehrmals überrascht habe. So sei er im linken Fernsehsender ATV aufgetreten und habe aus seinem Privatleben geplaudert. Seine Gegner (auf Seiten der Regierung) würden ihn mit dem Vorwurf attackieren, homosexuell statt homophob zu sein. Doch dass Magyar Narancs ihn gegen ihren eigenen gelegentlichen Kolumnisten Rabbi Köves verteidigt, ist für Laki die größte aller Überraschungen.
Zsolt Bayer dagegen ist alles andere als überrascht. Früher oder später, so der umstrittene Publizist in Magyar Hírlap, würden sich sämtliche Widersacher von Viktor Orbán gegen den Ministerpräsidenten verbünden. Was sie eine, sei ihre Abneigung gegen Traditionen sowie ihr Streben nach Errichtung eines 21. Jahrhunderts ganz ohne konservative Werte, behauptet Bayer.
Im Wochenmagazin 168 Óra wiederum weist Zoltán Lakner jüngste Forderungen nach einem Wahlbündnis zwischen den Linksparteien und Jobbik als komplett unrealistisch zurück. (Ein derartiger Vorschlag seitens des ehemaligen liberalen Parlamentsabgeordneten Miklós Haraszti zielt auf eine gemeinsam verabschiedete Änderung des Wahlgesetzes ab – Anm. d. Red.) Lakner wendet dagegen ein, dass Jobbik das gegenwärtige Mehrheitswahlrecht keineswegs ablehne. Vor allem jedoch erscheine die Bildung einer Koalitionsregierung unter Beteiligung von Jobbik als zu sehr an den Haaren herbeigezogen, als dass man sie ernsthaft in Erwägung ziehen könnte, warnt der linksorientierte Analyst abschließend.
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