Lukács-Statue entfernt
27. Apr. 2017Anlässlich einer geplanten Gedenkveranstaltung in dem Park, in dem bis Ende März die Statue des kommunistischen Philosophen gestanden hatte, kristallisierten sich in der Presse zwei unterschiedliche Positionen über die Frage heraus, ob György Lukács als wertvoller Teil des intellektuellen Erbes Ungarns geachtet werden sollte.
Die Philosophin und Lukács-Schülerin Ágnes Heller plant für kommenden Sonntag eine Veranstaltung unter dem Titel „Szellemidezés“ (Geisterbeschwörung), um an den Philosophen zu erinnern, dessen Statue vor einer Monat von der Budapester Stadtverwaltung mit der Begründung entfernt worden war, Lukács sei für die kommunistische Diktatur eingetreten.
Der Philosoph Sándor Karikó erinnert in Népszava daran, dass Geisteswissenschaftler als Antwort auf die Entfernung einer Büste von Karl Marx aus der Lobby der Corvinus-Universität eine Konferenz über Marx abgehalten hatten (vgl. BudaPost vom 24. Januar 2014). Diesmal sei es die geisteswissenschaftliche Fakultät der ELTE-Universität, die eine internationale Lukács-Konferenz organisiere, um dessen Bedeutung für die Philosophie zu würdigen. Karikó merkt an, dass es sich bei Lukács um den bekanntesten ungarischen Philosophen handele, und beschreibt ihn als eine entscheidende Persönlichkeit der Philosophiegeschichte, einen Klassiker „wie Plato, Spinosa oder Habermas“. Der Autor bescheinigt, dass Lukács „Fehler“ gemacht habe, hält in seiner Schlussfolgerung aber fest, dass diese Fehler Denkanstöße für die gegenwärtige Philosophengeneration seien.
In Magyar Idők vertritt László Zoltán Szabó eine komplett entgegengesetzte Meinung. Zwar räumt er ein, dass der junge Lukács nützliche Werke verfasst, sich später jedoch von ihnen abgewandt und sie sogar geleugnet habe. Er sei zum Apologeten des Sowjetkommunismus geworden. Neomarxistische Philosophen der Frankfurter Schule hätten ihn sogar als „kultivierten Stalinisten“ bezeichnet. Zudem erinnert Szabó daran, dass Lukács nach 1945 für einige Jahre Ungarns intellektueller Hauptzensor gewesen sei, der verschiedene bedeutende nichtkommunistische Denker und Schriftsteller zum Schweigen gebracht habe. Der Autor beschwert sich darüber, dass das intellektuelle Leben Ungarns nach wie vor von Mitgliedern des sogenannten „Lukács-Kindergartens“ dominiert werde, also der zweiten Generation der Lukács-Schule. Er fordert eine neue Generation von Denkern auf, eine neue, rechte Schule von Philosophen in Ungarn ins Leben zu rufen.
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