Verschärfte Rivalität im linken Lager
22. May. 2017Die Linke erntet massive Kritik von Kommentatoren aller politischen Couleur, weil sie unter anderem die Regierung mit populistischen Versprechungen zu überbieten versucht. Auch die wenig fundierten Vorwürfe Richtung Ministerpräsident Orbán finden kaum Beifall.
Am Donnerstag statteten führende Vertreter von Momentum der Redaktion der regierungsnahen Onlinezeitung Origo einen überraschenden „Besuch“ ab und stellten einen der dort arbeitenden Journalisten zur Rede. Sie bezichtigten den Mitarbeiter, Fälschungen und Lügen über die junge Oppositionsbewegung zu verbreiten. In einer Presseerklärung sprach sich die Momentum-Führung dafür aus, dass „Propagandaeinrichtungen wie Origo nicht als Medien und deren Mitarbeiter nicht als Journalisten betrachtet werden sollten“.
Dies sei die schlechteste Blitzaktion gewesen, die Momentum jemals veranstaltet habe, kommentiert Gábor Miklósi das Vorgehen auf Index. Der liberale Autor bezeichnet es als extrem kontraproduktiv, da die Spitzenleute von Momentum mit dem nicht genehmigten Eindringen in die privaten Räume von Origo gegen das Gesetz verstoßen hätten. Die ganze Nummer sei höchst ungeschickt gewesen, selbst wenn es sich bei Origo tatsächlich um ein unkritisches und voreingenommenes Sprachrohr der Regierung handele, notiert Miklósi.
Dávid Dercsényi und András Mizsur von Heti Világgazdaság halten die Momentum-Aktion für unverantwortlich. Sowohl die Regierung als auch ihr nahestehende Pseudo-NGOs und Pressekanäle würden anhand dieser Aktion behaupten, die Opposition respektiere das Rechtsstaatsprinzip nicht und wolle ihre Kritiker mundtot machen. Wenn die Leute tatsächlich an die Macht wollten, müssten sie sich etwas Besseres einfallen lassen, empfehlen Dercsényi und Mizsur.
Der Vorsitzende der MSZP, László Botka, hat ohne Nennung konkreter Namen angekündigt, dass er keine derjenigen sozialistischen Politiker auf die Kandidatenliste seiner Partei für die Parlamentswahlen 2018 setzen werde, die für den erdrutschartigen Fidesz-Sieg 2010 die Verantwortung trügen. In einer getrennten Stellungnahme versprach Botka zugleich, die MSZP würde im Falle ihrer Regierungsübernahme im kommenden Jahr die 13. Monatsrente wieder einführen.
Auf dem liberalen Blog Nyugati Fény („Westlicht“) attackiert der zur politischen Mitte gehörende Publizist Róbert Puzsér MSZP-Chef Botka wegen dessen Aussage zur 13. Monatsrente. Puzsér hält das Versprechen für kaum weniger demagogisch als die von der Regierungspartei gegebenen Zusagen, denn Ungarn könne sich derartige Ausgaben nicht leisten. Entsprechend hält der Autor Botka fürs Regieren ungeeignet.
In einem Leitartikel von Magyar Narancs wird das erwähnte Rentenversprechen Botkas als unverantwortlich bezeichnet. Zudem habe sich Botka mit dem Versuch der Marginalisierung anderer sozialistischer Politiker auf sehr dünnes Eis begeben, glauben die Autoren der linksliberalen Wochenzeitschrift und warnen: Sollte er scheitern, werde die MSZP noch mehr Wähler verlieren und zu einer Kleinpartei schrumpfen, anstatt sich zur linken Hauptkraft zu mausern.
Die Oppositionsparteien hätten einen populistischen Bieterwettbewerb losgetreten, kommentiert Gergely Kiss in Magyar Idők das rentenpolitische Versprechen Botkas. Der regierungsnahe Publizist bezeichnet es als eigentümlich, dass Botka, der 2009 noch für die Abschaffung der 13. Monatsrente gestimmt habe, sie nunmehr wieder einführen wolle. Seit der Wahl des Orbán-Kabinetts seien die Renten um 23 Prozent gestiegen, was praktisch bedeute, dass der Fidesz die von den sozialistisch-liberalen Vorgängerregierungen gestrichene 13. Rente bereits mehr als wieder eingeführt habe, argumentiert Kiss.
Dániel Kacsoh von der Tageszeitung Magyar Hírlap vergleicht die Absicht Botkas, die Nominierung bestimmter MSZP-Kader durch sein Veto zu verhindern, mit Säuberungen innerhalb der Kommunistischen Partei. In sarkastischem Ton fragt sich der regierungsnahe Autor, ob Botka wohl auch gegen seine eigene Nominierung Widerspruch einlegen werde. Sollte es der MSZP-Chef mit der Kaltstellung sozialistischer Spitzenpolitiker ernst meinen, werde niemand mehr für eine Kandidatur übrig bleiben, spottet Kacsoh und befindet: Die Herrschaft Botkas sei sehr weit von denjenigen demokratischen Prinzipien entfernt, für die die Linke so gerne in ihrer Kritik am Fidesz eintrete.
In einem Interview mit dem Fernsehsender ATV hat der ehemalige Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány seine zuvor gegen Ministerpräsident Orbán erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit einem geheimen Bankkonto (vgl. BudaPost vom 29. April) bekräftigt. Handfeste Beweise legte der Vorsitzende der Demokratischen Koalition allerdings nicht vor. Gyurcsány informierte den Vorsitzenden des parlamentarischen Ausschusses für nationale Sicherheit unter vier Augen über die Hintergründe seiner Behauptungen.
Für Gergő Plankó von der Nachrichtenplattform 444 sind die Bezichtigungen Gyurcsánys nichts weiter als ein verschwörungstheoretischer Trick. Ohne die Vorlage handfester Beweise seien die Vorwürfe nur eine Lachnummer, notiert der liberale Blogger. Solche nicht bewiesenen Behauptungen würden die Glaubwürdigkeit des echten Investigativ-Journalismus schwächen, befürchtet Plankó. Nach derartigen Unterstellungen werde die Regierung sogar anhand von Fakten belegte Vorwürfe als reine Lügenmärchen abtun.
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