Hír TV zurück im Regierungslager
3. Aug. 2018Linke Kommentatoren betrachten die Übernahme des ersten ungarischen TV-Nachrichtensenders als Hinweis auf einen sich stetig verschärfenden Autoritarismus, während ihre regierungsnahen Kollegen behaupten, dass die Gerechtigkeit ihren Lauf genommen habe.
Einen Tag nach Erteilung der kartellrechtlichen Genehmigung hat der neue Eigentümer von Hír TV dessen Management ausgetauscht und gleichzeitig mehrere das Profil des Senders prägende Programme gestrichen. Neun Journalisten haben den Sender mittlerweile verlassen, wobei einige von ihnen bereits durch regierungsnahes Personal ersetzt wurden. Das „Kronjuwel“ des Medienimperiums von Lajos Simicska war nach der Wahlniederlage der ersten Fidesz-Regierung im Jahre 2002 gegründet worden und sendete bis 2015 ein stramm auf Fidesz-Linie liegendes Programm. Nachdem aus Hír TV-Eigner und Ex-Fidesz-Schatzmeister Simicska sowie Ministerpräsident Viktor Orbán erbitterte Gegner geworden waren, orientierte sich das Profil des Nachrichtensenders an der Rechtsaußenpartei Jobbik. Angesichts des dritten Fidesz-Wahlsiegs in Folge vom April dieses Jahres schloss Simicska einige seiner Medienunternehmungen (Magyar Nemzet, Lánchíd Rádió) und verkaufte den Rest an Zsolt Nyerges, einen ehemaligen Partner, der der Anti-Orbán-Kampagne Simicskas kritisch gegenübergestanden hatte.
Auf Mérce beschreibt Gáspár Miklós Tamás die Übernahme von Hír TV als Teil eines von den Machthabern aktuell im Aufbau befindlichen halb-feudalen Systems. Simicska sei niemand, der leicht die Segel streiche, glaubt der marxistische Philosoph und sieht seine Kapitulation als Resultat einer Machtdemonstration. Simicskas Medienimperium sei mit dem Zweck gegründet worden, dem Fidesz zu dienen. Nunmehr sei „die Ordnung wieder hergestellt“ und gleichzeitig klargestellt worden, dass Abtrünnigkeit nicht toleriert werde.
Die Journalisten von Hír TV seien von einem Tag auf den anderen übergelaufen, nachdem sich Simicska gegen die Regierung gewandt hatte. Daran erinnert Róbert Friss von der Tageszeitung Népszava und schreibt, sein Blatt würde abrupte politische Kehrtwendungen keineswegs schätzen. Dessen ungeachtet sympathisiere die linke Tageszeitung mit Journalisten, die ihren Arbeitsplatz verloren hätten, betont Friss.
„Die Rechte hat Hír TV von den Usurpatoren zurückerobert“, frohlockt Gábor Baranyai in Magyar Idők und fährt fort: Olga Kálmán, die Hír TV-Starmoderatorin Nummer eins, habe nur ein kleines Publikum angezogen. Ihre Einschaltquoten hätten zuweilen dreifach unter denen ihrer Konkurrenz von ATV gelegen. Baranyai beschreibt die Geschichte von Hír TV in den letzten drei Jahren als „Spiegel des Amoklaufs von Simicska“, nachdem dieser 2015 der Regierung den Rücken gekehrt hatte.
László Gábor von der regierungsnahen Internetplattform Origo geht davon aus, dass Hír TV jetzt die Chance habe, ein Sender mit hohem Niveau zu werden. Tatsächlich, so die Behauptung des Autors, „war er vor dem Februar 2015 einer von Europas besten Fernsehsendern“.
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