Erdoğan in Budapest
10. Oct. 2018Nach dem ersten Tag des Besuchs von Präsident Erdoğan in Budapest beschweren sich links ausgerichtete Medien über den Mangel an Kritik seitens der ungarischen Regierung an die Adresse des türkischen Gastes wegen der am Bosporus herrschenden Unterdrückung. Zudem seien die Proteste gegen den türkischen Präsidenten bislang ziemlich lasch ausgefallen.
Auf 24.hu flüchtet Zsolt Kerner in Sarkasmus, wenn seine Überschrift lautet: „Ungarn ist nicht der Westen, wir bringen rechtschaffene Diktatoren nicht in Verlegenheit.“ Die Hoffnungen von Ministerpräsident Orbán bezüglich intensiverer Wirtschaftsbeziehungen seien überzogen, da die Türkei zur Zeit mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Wachstumsstillstand und hoher Inflation ringe. Kerner fragt sich zudem, welchen Vorteil wohl Ungarn aus der angekündigten bilateralen Zusammenarbeit im Bereich der Rüstungsindustrie ziehen könne, über die öffentlich bislang nichts Konkretes verlautbart worden sei.
Nóra Diószegi-Horváth, stellvertretende Chefredakteurin des Internetportals Mérce, bezeichnet die wenigen Beispiele des Protestes gegen den türkischen Präsidenten als „flau“. Eine kleine Gruppe migrationskritischer Rechtsextreme habe gegen die „muslimische Durchdringung Europas“ demonstriert und sei von einer noch kleineren Gruppe von Kommunisten angegangen worden, notiert sie. Allerdings habe die Polizei sie daran gehindert, sich den Rechten allzu sehr anzunähern. Zudem habe die Demokratische Koalition eine Kundgebung vor dem Gebäude der Akademie der Wissenschaften abhalten wollen. Doch angesichts der Teilnahme Erdoğans an einer dort stattfindenden Zeremonie habe die Polizei die Demo kurzerhand verboten und als Alternative einen nahegelegenen Platz angeboten, womit die DK aber nicht einverstanden gewesen sei. Einzelne Parlamentsabgeordnete hätten gesonderte Minidemos und Pressekonferenzen organisiert, aber „die Aktionen seitens der Opposition haben den Boden unter Erdoğans Füßen nicht erzittern lassen“, schreibt Diószegi-Horváth. „Vielleicht heute“, schließt sie ihren Bericht.