Oppositionsparteien nach wie vor im Hintertreffen
25. Mar. 2019Ein regierungsfreundlicher Kommentator sowie zwei linksliberale Stimmen halten es für wenig wahrscheinlich, dass die Oppositionsparteien angesichts der Probleme des Fidesz mit der Europäischen Volkspartei auch tatsächlich die Gelegenheit zu einem baldigen Sieg über die ungarische Regierungspartei werden nutzen können. Ein weiterer linker Kolumnist ist in dieser Hinsicht optimistischer: Seiner Ansicht nach könnte die Opposition bei den Wahlen zum Europäischen Parlament unentschlossene Pro-EU-Wähler erfolgreich mobilisieren.
Die Oppositionsparteien hätten eine Kehrtwende vollzogen und ihre Strategie des parlamentarischen Boykotts aufgegeben, beobachtet Tamás Lánczi. Sie hätten erkannt, dass sie die Regierung nicht durch Demonstrationen und Boykotte aus dem Amt jagen könnten – eine Strategie, die in anderen osteuropäischen Ländern durchaus erfolgreich gewesen sei, so Lánczi auf Mozgástér. Der Blogger vermutet, dass „dieser Verzicht der Opposition auf aggressive Methoden“ ihre Wähler enttäuschen und ihre Popularität weiter schwächen werde.
In Heti Világgazdaság vertritt Sándor Révész die Ansicht, dass eine breit angelegte Zusammenarbeit der Opposition – unter Einschluss von Jobbik – die Seele linksliberaler Parteien aufs Spiel setzen dürfte. Der linksliberale Kolumnist hält die gemeinsame Erklärung der Oppositionsparteien vom 15. März für unzureichend, enthalte sie doch keine klare politische Vision beziehungsweise Werte. Révész erinnert daran, dass in dieser Erklärung weder die Rechte von Flüchtlingen noch die Freiheit der Forschung oder das Eintreten für die gleichgeschlechtliche Ehe thematisiert würden. Gleiches gelte für ein starkes Bekenntnis zugunsten des freien Marktes. Die linken und liberalen Oppositionsparteien könnten ihre Kernwerte nicht nachdrücklich vertreten, falls sie mit der rechtsextremen Jobbik-Partei zusammenarbeiten wollten, notiert der Autor. Ohne eine solche Kooperation jedoch sei ein erfolgversprechender Angriff auf den Fidesz kaum denkbar. Aus dem Text geht nicht hervor, ob Révész einen solchen Kompromiss für vernünftig und moralisch vertretbar hält.
László Haskó fragt sich und die Leser von Magyar Narancs, ob die Suspendierung der Fidesz-Mitgliedschaft in der EVP den Oppositionsparteien eine neue Chance eröffnen werde. Der liberale Kommentator interpretiert die Entscheidung der Europäischen Volkspartei als eine klare und verheerende Niederlage für das, was Haskó als „rechtsextremen Fidesz“ bezeichnet. Allerdings bezweifelt er, ob die Oppositionsparteien die Gelegenheit nutzen und unzufriedene Wähler mobilisieren könnten. Es sei doch absurd, dass die beiden großen linken Oppositionsparteien – also die MSZP und die Demokratische Koalition – mit dem Sammeln von Unterschriften begonnen hätten, um gegen das zu protestieren, was sie für einen EU-Ausstiegsplan des Fidesz hielten. Diese Strategie werde sich nicht auszahlen, glaubt Haskó. Und so fordert er die Oppositionsparteien auf, sich zwecks Sieg über den Fidesz bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zusammenzutun und geschlossen anzutreten.
In einem Artikel für Népszava verweist György B. Nagy auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Publicus, wonach die Mehrheit der Ungarn die Suspendierung der Fidesz-Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei als unrechtmäßig bezeichnet.
(Laut der Umfrage halten 44 Prozent der Befragten die Suspendierung des Fidesz für „mehr oder weniger empörend“, hingegen lediglich 35 Prozent für „mehr oder weniger berechtigt“. Während für die überwiegende Mehrheit der Fidesz-Wähler (85 Prozent) die Entscheidung nicht hinnehmbar ist, pflichtet die Mehrheit der Oppositionswähler ihr bei. 44 Prozent der Wähler ohne klare politische Präferenz waren mit der Entscheidung, den Fidesz zu suspendieren, einverstanden. Was die Einstellung der Ungarn gegenüber der Europäischen Union betrifft, so fühlen die meisten Bürger des Landes eine starke Bindung an die EU und sind der Ansicht, dass Ungarn die Regeln der Europäischen Union einhalten sollte – Anm. d. Red.) Laut Nagy deuten diese Zahlen darauf hin, dass die Oppositionsparteien bessere Chancen haben, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament unentschlossene Wähler zu mobilisieren.
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