Friday, April 11th, 2014
Linksliberale Intellektuelle machen die „Untertanenmentalität“ des Volkes für das Scheitern der Linksallianz bei den Wahlen verantwortlich. Sie vermuten, die Ungarn ziehen individuelles Interessenstreben einer gemeinsamen Aktion gegen ihre Ausbeuter vor. Ein regierungsfreundlicher Kommentator wiederum glaubt, linke Intellektuelle würden den Durchschnittsungarn verachten.
„Untertantenmentalität hat gesiegt“, kommentiert Mihály Andor auf Galamus. Der linke Soziologe behauptet, die Ungarn würden traditionell die Verfolgung individueller Interessen einer gemeinsamen Aktion gegen ihre Ausbeuter vorziehen. Anstatt offen ihre Unterdrücker herauszufordern, suchten die Ungarn nach individuellen Strategien, um ihr Leben zu verbessern und ohne dabei mit dem Regime aneinanderzugeraten, glaubt Andor und fährt fort: Frustrierte Untertanen konkurrierten gern miteinander und gingen Kompromisse mit ihren Herrschenden ein, um von ihren Gebietern mit einigen Brosamen bedacht zu werden, anstatt gemeinsam für eine Verbesserung ihrer Situation einzutreten. „Zwei Drittel derjenigen, die sich die Mühe gemacht haben, zu wählen, haben Diktatur beziehungsweise offenen Faschismus unterstützt. So ein Land ist das“, beklagt sich der Autor.
In einem weiteren Artikel auf Galamus meldet sich der Politikwissenschaftler Csaba Fazekas zu Wort: Die größte Überraschung für die Linken sei am Wahltag die gewesen, dass es keine Überraschung gegeben habe. Ungeachtet der Spekulationen, wonach viele Linkswähler nicht einmal den Meinungsforschern ihre Präferenzen mitteilen wollten, liege das Ergebnis im Einklang mit den Umfragewerten, meint der Autor. Jedoch sei nach Ansicht von Fazekas auch die Unzufriedenheit weiter verbreitet, als dies die Zahlen verraten würden. Viele Fidesz-Wähler seien unzufrieden mit zumindest einigen Aspekten der Orbánʼschen Regierungspolitik. Allerdings hielten sie die Idee, „Viktor Orbáns autoritäres Regime“ abzulösen, nicht für realistisch, spekuliert der Autor. Alles in allem müsse die Linke aber anerkennen, dass es keine Massen an verborgenen, den Linken freundlich gesinnten Wählerschichten gebe und die Fidesz-Wählerschaft beinahe doppelt so groß wie die des linken Lagers sei. Das sei ein gewaltiger Schlag für linke Intellektuelle, die sich laut Fazekas einen komplett anderen Wahlverlauf vorgestellt hätten.
In Magyar Nemzet widmet sich Tamás Fritz den bitteren Reaktionen aus dem linken Lager und merkt an, dass die Linke immer noch nicht zu verstehen scheine, dass ihre Niederlage weitgehend aus ihrer Geringschätzung des Alltagsungarn herrühre. Im Licht der Wahlergebnisse machten linke Intellektuelle ebenso wie Spitzenpolitiker der Linksallianz der „primitive Öffentlichkeit“ Vorwürfe und würden sie liebend gerne ersetzen, sei sie doch nicht intelligent genug, die neoliberale Doktrin der linken Intellektuellen zu verstehen, meint der regierungsfreundlich Analyst ironisch.
Thursday, April 10th, 2014
Ein linksorientierter Kolumnist glaubt, dass sich die Linke eher auf den Alltag von in Armut lebenden Ungarn und weniger um linke Eliten konzentrieren sollte, deren Belange sich deutlich von denen unterschieden, die unter dem Existenzminimum leben müssten. Kommentatoren der politischen Mitte und des konservativen Lagers verweisen darauf, dass es der Linken sehr schwer fallen dürfte, ihren Fokus zu verändern und ihr Image aufzupolieren. Bitte weiterlesen
Tuesday, April 8th, 2014
Kommentatoren aller Couleur sind sich einig: Die Linke ist zerschlagen und wird sich nach der erneuten schweren Niederlage komplett neu erfinden müssen. Konservative Beobachter fügen hinzu, dass die überwältigende Rückendeckung sämtliche von der Regierung Orbán in den vergangenen vier Jahren durchgeführten Reformen und angewandten Strategien legitimiert habe. Bitte weiterlesen
Monday, April 7th, 2014
Am Tag vor den Wahlen stimmten die Tageszeitungen leidenschaftliche Schlachtgesänge an, mit denen sie versuchten, einen Feind auszurufen, für den der Wähler tunlichst nicht stimmen sollte, falls man nicht in eine unausweichliche nationale Tragödie schlittern wolle. Der Urnengang vom Sonntag war der erste, dem kein 48-stündiges Wahlkampfverbot vorausging. Wochenzeitungen, die meist am Mittwoch und Donnerstag erscheinen, taten sich hingegen mit eher analytischen Berichten hervor, doch auch sie unternahmen letzte Anstrengungen zur Mobilisierung der Wählerinnen und Wähler. Bitte weiterlesen
Saturday, April 5th, 2014
Ein Kommentator der Opposition untersucht die Haltung des ehemaligen Staatspräsidenten László Sólyom und behauptet, dieser habe Fidesz als eines der Übel definiert. Der Autor hält es für sicher, dass Sólyom die von den Sozialisten geführte Linke als Übel ansieht, aber diese als das kleinere betrachte.
László Sólyom, einst Mitglied der Mitte-Rechts-Partei MDF und Gründungspräsident des Verfassungsgerichts, war 2005 ursprünglich von einer Umweltschutzgruppe, aus der sich später die LMP formierte, als Präsidentschaftskandidat nominiert worden. Die Sozialisten schickten Katalin Szili ins Rennen (die gegenwärtig eine eigene Splitterpartei anführt), der jedoch die Freien Demokraten die Gefolgschaft versagten. So wurde es dem Fidesz möglich, Sólyom zum Wahlsieg zu verhelfen. Das Amt des Staatspräsidenten ist in Ungarn eher symbolische Natur, jedoch versuchte sich Sólyom während seiner Amtszeit immer wieder als aktive politische Kraft einzubringen, indem er beide Regierungen (zunächst die Linksregierung bis 2010 und anschließend Fidesz) während seiner Amtszeit kritisierte. Seine Beziehung zur Fidesz geführten Regierung hatte sich zugespitzt, nachdem der Fidesz eine neue Verfassung durchgedrückt und das Verfassungsgericht daran gehindert hatte, in Steuerfragen zu urteilen. In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit Origo regte Sólyom an, dass Wähler, die mit den beiden großen Blöcken unzufrieden seien, für kleinere Parteien stimmen sollten. Er bezeichnete es als moralisch falsch, sich für das kleinere Übel zu entscheiden. Es gilt als allgemein ausgemacht, dass der ehemalige Staatspräsident vornehmlich die potenziellen Wähler der Sozialisten und deren Verbündete im Auge hatte – Wähler also, die trotz aller Zweifel die Linken als das kleinere Übel betrachten (vgl. BudaPost vom 27. März).
Man müsse anerkennen, dass es der ehemalige Präsident tunlichst vermieden habe, sich an die Seite einer bestimmten politischen Partei zu stellen, schreibt Miklós Hargitai in Népszabadság. Dessen ungeachtet interpretiert er Sólyoms Bemerkungen als klaren Hinweis dafür, dass er Fidesz – also die Partei, die ihn zum Präsidenten gewählt hatte – als eines der beiden Übel betrachte. Der Autor widerspricht der Bemerkung Sólyoms nicht ausdrücklich, wonach die Wahl selbst des kleineren Übels verwerflich sei. Jedoch glaubt Hargitai, dass die gegenwärtige Regierung Ungarn zurück in eine Gesellschaftsordnung führe, in der Loyalität den einzigen Weg zum Erfolg darstelle. Demzufolge sei sie das größere Übel. Der Autor gibt zu, dass der ehemalige Präsident Recht habe, wenn er sich dafür stark mache, „das Gute und nicht das kleinere Übel“ zu wählen. Ohne Sólyoms Appell für die Wahl kleiner Parteien zurückzuweisen, hält Hargitai aber eine Entscheidung zugunsten des größeren Übels für unverzeihlich.
Monday, March 31st, 2014
Kommentatoren aus dem linken Spektrum hoffen noch immer, dass ein Erdrutschsieg des Fidesz verhindert werden kann. In so einem Fall könnte sich die Linke glaubhafter über das neue Wahlrecht beschweren. Ihre Kollegen aus dem rechten Lager versuchen ihre Leser noch einmal zu mobilisieren. In ihrer Argumentation habe die Linke durch die jüngsten Skandale den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verspielt. Bitte weiterlesen
Saturday, March 29th, 2014
Eine leidenschaftliche Kritikerin der Regierung aus dem liberalen Spektrum ist überzeugt, dass die Oppositionsparteien in den Meinungsumfragen erheblich unterbewertet würden, allerdings könne niemand sagen, in welchem Umfang. „Alles, was wir wissen, ist, dass wir nichts wissen“, lautet denn auch ihre Titelzeile. Bitte weiterlesen
Friday, February 7th, 2014
Mit Blick auf jüngste Meinungsumfragen stellt ein konservativer Kolumnist fest, dass die kürzlich gebildete Einheitsfront der linken Parteien eher dabei geholfen habe, Fidesz-Wähler zu mobilisieren, weniger hingegen das linke Wählerreservoir zu vergrößern. Der Grund hierfür liege im Fehlen einer Vision seitens der Linken. Bitte weiterlesen
Friday, January 17th, 2014
Für Analysten des linken Spektrums ist die neue Allianz die einzig mögliche, wenn auch nur recht schwache Hoffnung, um Ministerpräsident Orbán herausfordern zu können. Regierungsfreundliche Kolumnisten sehen die Vereinbarung als Zeichen, dass es der Linken an Ideen fehle. Bitte weiterlesen
Monday, January 13th, 2014
Liberale Kolumnisten äußern sich höchst skeptisch über die jüngste oppositionelle Vereinbarung, Ferenc Gyurcsány in das Bündnis von Gordon Bajnai und Attila Mesterházy zu integrieren. Einige von ihnen werfen führenden progressiven Intellektuellen vor, sie würden sich in den politischen Prozess einmischen. In einer optimistischen Kolumne von Seltenheitswert äußert ein der sozialistischen Partei nahestehender Politologe, dass noch nicht alles verloren sei. Bitte weiterlesen