Polnischer Abhörskandal erreicht Ungarn
25. Jun. 2014Für eine konservative Bloggerin ist die eigentliche Enthüllung des polnischen Abhörskandals nicht die heftig diskutierten obszönen Bemerkungen über Viktor Orbán und Wladimir Putin, sondern vielmehr das, was der Chef der staatlichen polnischen Ölgesellschaft über seinen ungarischen Kollegen zu sagen hatte. Dieser fabulierte nämlich darüber, wie er seinen Kopf aus der Schlinge eines in Kroatien schwelenden Korruptionsskandals ziehen könne, in den er verwickelt ist.
Auf Mandiner interpretiert der Rechtsexpertin Bea Bakó die durchgesickerten Tonmitschnitte als Beleg dafür, dass der Chef des ungarischen Mineralölmultis MOL, Zsolt Hernádi, ungarische Gerichte dafür einspannt, eine Verurteilung wegen Korruption im benachbarten Kroatien zu verhindern. (Wie wir an dieser Stelle bereits berichtet hatten, wird seit drei Jahren in Zagreb ein Verfahren gegen Hernádi durchgeführt. Laut Anklage soll er den ehemaligen Regierungschef Kroatiens, Ivo Sanader, bestochen haben, damit dieser die Rechteverwaltung des kroatischen Öltrusts INA auf MOL überträgt. MOL hält knapp 50 Prozent der INA-Aktien. In einem Gespräch mit dem polnischen Finanzminister hatte der CEO der nationalen polnischen Ölgesellschaft PKN Orlen geäußert, Hernádi habe ihm den Wahrheitsgehalt der Gerüchte über seine Manöver bestätigt. Laut EU-Recht erkennen Länder die Urteile von Gerichten anderer EU-Staaten an. Falls also ein ungarische Gericht Hernádi von den Vorwürfen freispricht, müssten die Kroaten die Anklage fallenlassen – Anm. d. Red.)
Bakó stellt nun fest, dass Einzelheiten der Geschichte in der Interpretation des polnischen Spitzenmanagers in mehreren Punkten ungenau seien. Grundsätzlich jedoch stimme die Geschichte. Das bedeute jedoch nicht, dass Hernádi schuldig sei, sondern beweise lediglich das mangelnde Vertrauen Hernádis in das kroatische Gericht. Tatsächlich sei er ja in erster Instanz freigesprochen worden, wobei gegenwärtig das Berufungsverfahren laufe. Bakó glaubt, dass dies die eigentliche Story im Zusammenhang mit dem polnischen Abhörskandal sei, im Gegensatz zu derjenigen, die zahlreiche Zeitungen laut ausposaunt hätten. Der gleiche Manager sei nämlich abgehört worden, wie er sich gegenüber dem polnischen Finanzminister kritisch und unter Rückgriff auf eine extrem vulgäre Sprache zu jüngsten Vereinbarungen Viktor Orbáns mit Wladimir Putin äußerte. Bakó kritisiert ungarische Blogs wie Cink massiv, die Medien lediglich dann für „frei“ hielten, wenn sie sich zu übersetzen trauten, was in dem mitgeschnittenen Gespräch als „Blowjob“ bezeichnet worden sei.
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